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520 Christian Bergauer
Christian Bergauer • Das materielle
Computerstrafrecht¶
die unmündige Person über seine Absicht – an ihr eine strafbare Hand-
lung nach §§ 201 bis 207 a Abs 1 Z 1 zu begehen 2497 – täuschen. Diese Be-
gehungsweise hat Auffangcharakter und kommt auch nur zur Anwen-
dung, wenn keine online-Kontaktierung ( mit oder ohne Täuschung )
stattgefunden hat. In der Begehungsweise des § 208 a Abs 1 Z 2 liegt –
nach Meinung des Gesetzgebers – die besondere Gefährlichkeit in der
» Täuschung der unmündigen Person «.2498 Wenn der Gesetzgeber nun
allerdings darin die besondere Gefährlichkeit dieser Begehungsweise
sieht, so impliziert dies für die Begehungsweise des § 208 a Abs 1 Z 1,
dass hier die » besondere Gefährlichkeit « bereits in der bloßen » Nut-
zung « informations- und telekommunikationstechnischer Systeme lie-
gen muss.
Vermutlich hat dies der Gesetzgeber aus den Materialien des Europa-
ratsübereinkommens abgeleitet, wo deshalb von einer besonderen Ge-
fahr gesprochen wird, weil sich eine Überwachung der Kommunikationen
im Internet und über Mobiltelefone als schwierig erweist.2499 Eine sol-
che Begründung ist aber in Anbetracht der bloßen sozial adäquaten Nut-
zung informations- und kommunikationstechnischer Systeme bzw des
bloßen Betriebs solcher Systeme strikt abzulehnen. Andernfalls müsste
zumindest auch die vorherrschende Ablehnung des Ingerenzprinzips
zur Begründung einer Garantenstellung für Host-Provider überdacht
werden.2500 Aufgrund der offensichtlichen Verlagerung des spezifischen
Unrechts auf die subjektive Tatseite fragt sich, ob die Sozialschädlich-
keit des Täterverhaltens nicht hauptsächlich am Plan des Täters und da-
her an dessen Gesinnung ansetzt.2501 Bejaht man eine solche Nähe zum
Gesinnungsstrafrecht, fragt sich allerdings umso mehr, ob in diesem
Fall tatsächlich die Tatbestandsumschreibung den strengen Erforder-
nissen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots entspricht.2502
Wie eine Täuschung iSd § 208 a Abs 1 Z 2 erfolgen kann, richtet sich
im Wesentlichen nach § 108 und § 146. Dazu können falsche Tatsachen
2497 Durch die Formulierung » strafbare Handlung nach den §§ 201 bis 207a Abs 1 Z 1 «
kann auch die Alterstoleranzklausel nach § 206 Abs 4 und § 207 Abs 4 als persön-
licher Strafausschließungsgrund grundsätzlich ( dh bezüglich §§ 206 und 207 ) zur
Anwendung gelangen ( ErlRV 1505 BlgNR XXIV. GP, 7 ).
2498 Siehe ErlRV 1505 BlgNR XXIV. GP, 6.
2499 ER ( CETS 201 ) Pkt 159.
2500 Siehe dazu statt vieler etwa Reindl-Krauskopf, Computerstrafrecht 2, 122; weiters
Bergauer / Schmölzer in Jahnel / Mader / Staudegger, IT-Recht 3, 635 ( 682 und 705 ).
2501 Siehe zu dieser Kritik Mahler, JSt 2012, 22.
2502 In diesem Sinne Mahler, JSt 2012, 22.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Titel
- Das materielle Computerstrafrecht
- Autor
- Christian Bergauer
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 700
- Schlagwörter
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Kategorien
- Informatik
- Recht und Politik