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Aus den vergangenen Betrachtungen über die Entwicklung verschiedenster Möbel- und Stilelemente lässt
sich ein gemeinsamer Nenner herausschälen – das elementare Bedürfnis des Menschen nach sinnlicher
Erfahrbarkeit. Dieses Bedürfnis findet in jedem Gegenstand seine Umsetzung, denn den nützlichen Gegen-
stand als ausschließlich rational erfassbares Objekt gibt es nicht, und so gesehen ist umgekehrt eine gewoll-
te Ästhetik nicht notwendig bzw. überflüssig. Das Ineinandergreifen unterschiedlichster Komponenten trägt
bei zur permanenten Veränderung bestehender Produkte und lässt neue Produkte entstehen. Es sind dies
gesellschaftliche Veränderungen, die zu Verschiebungen in den Wohn- und Lebensgewohnheiten führen,
sowie die Entwicklung neuer Materialien und Produktionstechniken, die neue Möglichkeiten eröffnen.
Innerhalb dieser Paradigmen, die den Rahmen vorgeben, bleibt genügend Interpretationsspielraum um eine
Vielfalt möglicher Produkte zu gewährleisten.
Die Auswirkung von gesellschaftlichen, kulturellen oder politischen Strömungen auf das Möbel sind deutlich
nachvollziehbar. So hat die gesellschaftspolitische Ideologie der 68er Jahre mit der Änderung gesellschaft-
licher Umgangsformen auch zur Transformation einiger Möbel geführt. Die zu dieser Zeit entstandenen
Polstermöbelsitzlandschaften sind Ausdruck einer Formlosigkeit in Belangen gesellschaftlicher Etikette.
Die meist L- oder U-förmige Konfiguration ist Ausdruck eines propagierten Gemeinschaftssinns. Das zwang-
lose Zusammensitzen in einer losen Gruppe unterscheidet sich sowohl vom Zusammensitzen rund um einen
(Ess-)tisch als auch vom Sitzen einzelner Personen in verschiedenen bequemen Fauteuils. Bezeichnend ist
allerdings auch, dass in dem Moment in dem die Präsenz der 68er Bewegung nachließ, die Sitzlandschaft
zum Möbel für nonkommunikatives gemeinschaftliches Chipsessen vor dem TV-Gerät degenerierte.
Die Qualität dieser ersten Sitzlandschaften liegt vor allem in der Direktheit mit der sie das, was sie sind
und wofür sie stehen, ausstrahlen. Sie vermitteln dies mit bestimmter morphologischer Gesetzmäßigkeit,
deren ästhetischer Code vom Betrachter bzw. Benutzer unmissverständlich wahrgenommen wird und sie von
vergleichbaren Möbeln anderer Jahrzehnte unterscheidet. Die Nuancen sowohl der jeweiligen Definition von
Bequemlichkeit, als auch deren Wertigkeit im Kontext verschiedenster Prämissen erzeugen im konkreten Fall
ein Spektrum differenzierter Varianten.
Die Verschiebung von Wertigkeiten im kulturellen Kontext einer Gesellschaft, im konkreten Fall der west-
lichen, sowie die sich dadurch ändernden Nutzergewohnheiten überlagern sich mit neuen Produktions-
techniken. Je nachdem welchen Stellenwert ein Gebrauchsgegenstand, ein Möbel innehat, wird diese Ver-
änderung auch am Produkt selbst entsprechend ablesbar. Als gegenständliches Zeichen für die wichtigsten
Vorgänge des menschlichen Seins – zeugen, gebären, sterben – war und ist zum Teil auch heute noch das
Bett von besonderer Bedeutung. Kein weiteres Möbel ist mit Symbolen so aufgeladen wie dieses. So sind die
bei alten Betten immer vorhandenen Kopf- und Fußteile zwar konstruktiv bedingt, ihre über die konstruktive
Notwendigkeit hinausgehende Höhe und Ausschmückung diente jedoch zur Unterstützung symbolischen
Gehaltes. Das Schlafzimmer und damit sein wichtigster Bestandteil das Bett war im bürgerlichen Leben ein
Ort, der vor fremden ‚Einsichten‘ geschützt wurde. Oft war dieser Raum der größte im Wohnverband.
Gab es auf Grund beengter Raumverhältnisse dieses nicht, so war das Bett tagsüber zumindest in einer
Nische (Alkoven) oder einem Kasten verborgen. Die Vielfalt heute am Markt verfügbarer Betten – mit oder
ohne Kopf – oder Fußteil, mit oder ohne integrierter Ablage, mehr oder weniger vom Fußboden abgehoben,
etc. – ist auch eine Folge des veränderten Stellenwertes dieses Symbolcharakters.
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AMM ArchitektInnen machen Möbel
- Title
- AMM ArchitektInnen machen Möbel
- Author
- Judith Augustinovic
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-681-9
- Size
- 14.8 x 25.0 cm
- Pages
- 104
- Keywords
- Architektur, Möbel, Sessel, Tische, Stühle, Holz, Nachhaltigkeit
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort | Irmgard Frank 7
- amm ist gestalterische Haltung und Bekenntnis zu Qualität | Judith Augustinovic 8
- Lilli Hollein 11
- Eva Guttmann 12
- Eberhard Schrempf 13
- Gebhart Blazek 14
- Marion Kuzmany 15
- Thomas Benz 16
- Marina Hämmerle 17
- Ursula Diefenbach und Christoph Adametz 19
- Die Wahrnehmung Möbel | Irmgard Frank 20
- Entwurf und Werkstück 27
- ‚Der Baum wächst nach oben.‘ 31
- Wintersemester 2018|19 . Anna-Lülja Praun Möbelwettbewerb 32
- Eugen Gross 33
- Antje Senarclens de Grancy 34
- Markus Bogensberger 35
- KARLI und Eugen Gross 37
- amm Möbel 38
- Austrian Interior Design Award 2018 57
- Präsentationen – Ausstellungen – Messen 58
- Positionen der Studierenden 64
- An den Hobelbänken 68
- Sommersemester 2019 . Handwerk trifft Design 72
- Paul Streit 76
- Margret Rausch 78
- Johannes Wohofsky 79
- TeilnehmerInnen seit 2017 91
- Chronologie 101
- Impressum 102