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Tagebuch 1923
Lebendigkeit in diese kaiserliche Tracht eingesargt und wie ungern es ruhig Modell
steht u. doch muß – das müßte herrlich sein“. Sein Lieblingsbild war früher von
Leonhard Beck der hl. Georg – „weil so viel drauf erzählt wird“
– Über Bilderkonser-
vieren „Man sollte jedes Bild nur unter Glas geben, das konserviert genauso wie ein
Firnis, wird nicht braun wie dieser und hat noch den Vorteil des Luzidmachens der
Farbe“
–78
Dann Albertina, Gespräch mit Hempel wegen d. Stelle in Graz (abgebrochen), das
französische Graphikbuch (Druck) und Münchener Neuerwerbungen, die Stix mit-
gebracht hat (unbedeutend). Rendezvous mit Hans bei Nebehay, drei ausgezeichnete
Kolbezeichnungen ausgesucht, die wir mit Schieleblättern bezahlen. Diese waren
beim Nebehay gekauft u. haben uns immer mißfallen – wie sich’s jetzt herausstellt,
sind es Blätter von seinem Schwager
– Fälschungen.79
6.IX.
Gestern abends Grimschitz u. Ehepaar Steiner. Grimschitz kam schon um 7, ich
zeigte ihm die Zeichnungen von Ehrlich, die ich dahabe (Anderl, Vroni, das 3. Blatt
von mir). Er war sehr sehr entzückt u. beschloß, sich auch von ihm portraitieren zu
lassen. Frau Steiner brachte französische ganz neue Novellen mit
…
7.IX.
Gestern abends die Braut vom Alf, Schwamm drüber. Eine Kateridee mit so einem
unbedeutenden Menschen etwas andres als eine Liebesnacht zu verbringen. Mein
Gott, ist das ein ganz armer Teufel, daß er sich zu diesem Schritt entschließen
konnte ! ! ! 29 Jahre alt, ganz hübsch, blond
– aber wirklich
– so wie Alf es ausdrückte
–
die Geistigkeit der Burgel
…80
Heut früh war ich beim Bach, der mich in der Kunststelle empfing. Unser Ge-
spräch war sehr kurz, er war so nervös, daß er sich entschuldigte, er könne sich nicht
setzen, – wurde überdies durch Hofrat Bittner unterbrochen (Vorstellung – dann
„ihr Name ist mir geläufig von d. wundervollen Gedichten, wirklich sehr schön“ …),
dann durch Antelephonierung vom kleinen Umansky, der sich nach einer Novelle
aus d. Russischen übersetzt erkundigte („Ich muß ihnen sagen, ich hab sie nicht ver-
standen“). Bach sagte zu mir : „Ihr Stück hat mich sehr sehr interessiert, ich reise
heute abends zu einem Theaterdirektor u. will ihn dazu bringen, daß er es liest.“ Ich
sagte ihm, wie mir sein günstiges Urteil gerade jetzt gelegen komme, da ich nach
einem Gespräch mit Hock, der mir jede dramatische Begabung absprach, kollabiert
bin. „Der ist ein Aff“ sagte Bach im Ton unwilliger Überzeugung. „Aber er ist Ger-
manist u. Theaterdirektor zugleich, jedes allein würde schon genügen, seine Nicht-
Zuständigkeit verständlich zu machen. Nein, lassen sie sich das nicht zu Herzen ge-
hen.“ Dann bekam ich für die drei als (2) Feuilletons erschienenen Gedichte 200.000
K[ronen], ließ ihm noch 2 Gedichte dort (Verbrauchte Mutter u. Abschied (von Lo-
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 458
- Category
- Biographien