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Tagebuch 1923
8 Ein von Camillo Castiglioni im Jahr 1923 zur „Förderung der bildenden Kunst“ zur Ver-
fügung gestellter Geldbetrag war einem Wettbewerb zur Gestaltung eines „Auslandshilfe-
Denkmals“ gewidmet. Das „Ausland“ sollte für die während der Hungerjahre nach dem
Weltkrieg geleistete Hilfe geehrt werden. Unter 75 Einsendungen ging der erste Preis an
den Entwurf von Architekt Ernst Lichtblau und Bildhauer Carl Hagenauer. Vor allem der
geplante Standort des Denkmals an der Kapuzinerkirche (Ruhestätte der Habsburger) und
die am Modell angebrachte Legende, die auf die Verantwortung der Habsburger am Elend
des Weltkriegs hinwies, sorgten für Erregung. Wieder einmal polemisierten vor allem die
Kulturredakteure der „Neuen Freien Presse“, Leopold Bauer und A. F. Seligmann, gegen
Künstler und Kunstwerk. Das Modell wurde schließlich durch einen aufgebrachten Aus-
stellungsbesucher zerstört. Der Entwurf für den von ETC erwähnten Brunnen stammte
von den Architekten Anton Wilhelm ( ?) und Waldemar Leers ( ?). (Seiter 1998 ; zum Wett-
bewerb siehe Kristan 1992, 199–210.)
9 Ausgestellt wurden auch jene modernen Grafiken, die der Kunsthistoriker Ernst Buschbeck
als Vorstandsmitglied der „Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst in Wien“ (GFMK ;
zur GFMK siehe TB 1923, 24.–30.6., 8.11.) auf Reisen für die Albertina ausgewählt und
für die staatliche Sammlung eingekauft hatte.
An- und Verkaufswünsche sowie Tauschaktionen seitens der staatlichen Museen wurden
durch eine 1919 vom Unterrichtsamt eingesetzte „Museumskommission“ zusammenge-
stellt. Die Auswahlentscheidungen hatten einstimmig zu erfolgen. Anschließend musste
diese Vorauswahl der alliierten Reparationskommission im Rahmen eines vierteljährlichen
Berichts zur Genehmigung vorgelegt werden. Der einflussreiche Maler Carl Moll gehörte
der ministeriellen Museumskommission an (siehe dazu auch Posch 1997).
Hieronymus Bosch, Kreuztragung Christi, Kunsthistorisches Museum (KHM), Wien, er-
worben bei Goudstikker in Amsterdam.
Gustav Glück, erster Kunsthistoriker als Direktor der Gemäldegalerie des KHM, Wien.
Der Ankauf des Gemäldes von Duccio di Buoninsegna dürfte nicht zustande gekommen
sein.
Vermutlich schrieb ETC irrtümlich Ender statt Eberstaller. Maria Moll, die Halbschwester
Alma Mahlers, hieß nach ihrer Verheiratung Eberstaller.
Carl Moll, der Stiefvater Alma Mahlers, war eine widersprüchliche Persönlichkeit. HT be-
zeichnete den Maler, Mitbegründer der Wiener Secession, Galerieleiter und Ausstellungs-
organisator als die in einem „gewissen Sinn bemerkenswerteste Erscheinung des Wiener
Kunstlebens an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert“. Immer wieder stoße man auf
diesen Mann, der „ohne ein öffentliches Amt zu bekleiden oder im künstlerischen Vereins-
leben eine führende Rolle zu spielen, durch bloßes Einsetzen seiner Persönlichkeit all das
erstrebt hat, was anderwärts durch Organisation der Kräfte erzielt wurde“ (Tietze 1921a,
123). Der Komponist Ernst Krenek, der als Lebensgefährte und Kurzzeitehemann Anna
Mahlers eine Zeit lang der Familie angehörte, erinnerte sich an Moll folgendermaßen :
„Seine Leistungen als Maler wurden nur wenig beachtet, und er schien sich viel mehr mit
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 458
- Category
- Biographien