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Tagebuch 1923
velliert (BGBl., Nr. 80 vom 10.2.1923). Es machte nun auch die Ausfuhr von „Gegenstands-
gruppen“ aus Privatsammlungen von der Genehmigung durch die Denkmalbehörde abhängig,
wenn diese aufgrund ihres „geschichtlichen, künstlerischen oder kulturellen Zusammenhangs“
als ein „einheitliches Ganzes“ angesehen werden konnten. Inoffiziell wurde die Novellierung
auch als „Lex Figdor“ bezeichnet. Bundespräsident Michael Hainisch, dessen Wort im Bun-
desdenkmalamt als „Befehl“ galt, hatte zu „schärferen Maßnahmen gegen den Kunstsammler
Albert Figdor“ geraten (Brückler 1994, 15, 17). Schon vor dem Ersten Weltkrieg waren Ver-
handlungen Figdors mit dem österreichischen Staat, seine Sammlung als Ganzes zu über-
nehmen, aufzustellen und auch als „Sammlung Figdor“ kenntlich zu machen, ergebnislos ver-
laufen. Verärgert hatte Figdor daraufhin 1914 die Sammlung seiner in Deutschland lebenden
Nichte vermacht. Durch die Gesetzesnovellierung sollte die Ausfuhr zur Erbin verhindert
werden. Das Gesetz war mit Bescheid des Wiener Magistrats vom 15.6.1923 dann auch un-
verzüglich auf die Sammlung Figdor angewandt worden (ÖStA, AVA, BMU, 15 Kunstwesen,
fasc. 3038, Sammlungen Castiglioni, Figdor, Palffy, Zl. 21573). Als Nachfolger Max Dvořáks
an der Universität war Julius von Schlosser an prominenter Stelle in die Entscheidungen
eingebunden. Dvořák galt als „Vater des Ausfuhrverbotsgesetzes“.
„Ursprünglich war die Ausfuhrabgabe auf Kunstgegenstände mit einem Schätzwert von
mehr als 30.000 Kronen beschränkt, im März 1921 von 5 % auf 12 % und im September
1922 für Antiquitäten auf 17 % erhöht.“ (Brückler 1994, 13.) Diese Maßnahme brachte den
Kunst- und Antiquitätenhandel praktisch zum Erliegen. 1924 kehrte man (per Erlass des
Bundesministeriums für Finanzen) dann wieder zu den 10 % zurück.
„Gebetbuch für Hans Strochner“ – in Gastein verfertigt, um 1510. Über den Ausfuhrvor-
gang selbst finden sich – vermutlich, weil die Handschrift als Staatsgut deklariert worden
war – keine Aufzeichnungen in den Ausfuhrakten des Bundesdenkmalamts Wien.
1920 war aus der ehemals kaiserlichen Hofbibliothek die Nationalbibliothek hervorgegan-
gen (seit 1945 Österreichische Nationalbibliothek).
Ein Sachverständiger namens Byk konnte nicht eruiert werden.
17 In ihren unveröffentlichten Erinnerungen berichtet ETC, Emil Reich habe sich nach dem
finanziellen Ruin und der Trennung ihrer Eltern als ein „niemals versagender helfender
Freund“ der Mutter erwiesen. Auch habe er mehrere Jahre hindurch „sehr schüchtern“ ver-
sucht, ETC zu einer Heirat zu bewegen (Tietze-Conrat unveröff./a, 35). Reich, Professor
für Praktische Philosophie und Ästhetik an der Universität Wien, gilt als einer der Pioniere
der Erwachsenenbildung in Österreich (siehe dazu Emil Reich, Historiografie).
18 Maja Fraenkel, Tochter von ETCs Schwester Lili Fraenkel-Conrat.
Dass die Malerin Helene Funke selbst je in Indien gewesen wäre, ist nicht überliefert. Mög-
licherweise steht die Bemerkung im Zusammenhang mit dem generellen Interesse, das
Indien in dieser Zeit in Künstlerkreisen entgegengebracht wurde. Hermann Hesses (1877–
1962) Roman „Siddhartha“ war z. B. 1922 erschienen.
19 Hauptverkehrsstraße „Gürtel“ – ähnlich der innerstädtischen „Ringstraße“ als Kreisseg-
ment um den Wiener Stadtkern geführt.
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 458
- Category
- Biographien