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Tagebuch 1924
mit Hans durchzusprechen. Er hat dreißig „unbe-
dingt wichtige“ Autoren zusammengestellt. Wenn
ich zurückdenke, im Herbst war das Gespräch erst
zwischen dem Ehepaar Kiesler und mir, paar Tage
später mit der Frau und mir. Damals war es für ihn
feststehende Sache, daß auch von mir ein Stück auf-
geführt werden sollte. Ich habe beiden, dann auch der
Frau gegenüber immer wieder meine Zweifel ausge-
sprochen : Sie werden sehen, wenn es einmal wirklich
dazu kommt, so wird meine Sache fallen gelassen
werden. – Wie nun gestern das wirklich geschehen
ist, hat mich die Selbstverständlichkeit, mit der es
geschehen ist, tief verletzt. Dabei alle Hände gebun-
den.18
4.II.
Gestern vormittag bei Mama, wo sich Kobler und
Felix, die Großauguren medizinischer Wissenschaft,
trafen. Die Szene hatte viel Komik, die Mama mit
mir auskostete. Der Entzündungsprozeß ist im Ab-
flauen. Die Frage der Operation, wenn die Entzündung vorüber, tritt in den Vorder-
grund. Ob sich Mama entschließen kann ? ! Nachmittag mit Hans das Programm für
Kirstein eingerichtet. Einen von Lampl geliehenen Roman von Stößl (Sonnenmelo-
die), eine Nacherzählung der Lebensgeschichte Hauers, mit großen Widerständen
und Langeweile, durchgeflogen. Mit Genuß dafür ein paar Mythen und Märchen aus
(Frobenius) Atlantis. Wie da wohl die Zusammenhänge zwischen den ganz identi-
schen Motiven dieser Berber mit unseren Sagen bestehen ? ! Eine Geschichte : „das
Grauen“ der aufregendste Traum, den es gibt
…19
Heute meinen Vortrag f. d. 18. gearbeitet. Diesen Eisler soll der Teufel holen, was
man auch drinnen sucht, man versinkt im Wischiwaschi.20
5.II.1924
Gestern nachmittag bei Ehrlich im Floch’schen Atelier, die Bilder angeschaut, die ich
noch nicht gekannt hab ! Das Selbstportrait (noch unfertig), die Augen schauen hi-
nein u. doch hinaus (Rembrandt), der Mund noch unpsychologisch, nur in der Form
(brutal), vorn die Palette ganz rot. („Die hab ich am Tag gemalt, bevor das Feuer
ausgebrochen ist. Noch nie hab ich so ein Rot gemalt – u. am nächsten Tag hat’s ge-
brannt.“) Mir hat das Bild, (es gewinnt bei längerer Betrachtung sehr) einen starken
Eindruck gemacht. Viel mehr aber „die Landschaft“ von der Brücke in Reichenhall ;
gleich bei unserem Gasthaus, den Fluß hinauf. Es ist alles drinnen mit ökonomischs-
Abb. 36 : Der Komponist Josef Matthias Hauer.
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 458
- Category
- Biographien