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Tagebuch 1924
tur ; erst am Nachmittag konstatiert, seit-
her liegt sie und schläft. Frau Ehrlich hat
teleph[oniert], daß mir Georg Karten zur
Bergner (Frl. Julie) anbietet (Donners-
tag). Ich habe mich in Mayers Tintoretto
umgetan. Ich möchte mit meinen ganzen
menschlichen u. dichterischen Erfahrun-
gen an dieses Thema gehen. Dieses Buch
von Mayer – von der Bercken ist ein un-
übersichtliches Konglomerat. Richard
Specht hat mich angerufen (Julius Bittner
gestattet es, seinen Namen unter die Pro-
testadresse zu setzen). Als ich ihn fragte :
Wie geht es ihnen ? – antwortete er mir :
„Seit wann sind wir per sie ?“ er lud uns
ein, ihn zu besuchen.
–92
Ich habe Dr. Rapaports Telephon-
nummer bei Fannina erkundigt und mit
ihm telephoniert. Er kommt jetzt noch
oder morgen vormittag zu mir heraus.
15. Mai
Burgel hat eine suspekte Angina. Felix
war heut Mittag da ; ich erwarte ihn um 6 noch einmal, er will noch mit Dr. Wen-
del, der ebenfalls früh da war, hier zusammenkommen. Eventuell gibt er ihr gleich
heute noch die Diptherieinjektion. Sie macht einen wenig hergenommenen Ein-
druck.
– Haare gewaschen, im Garten mit Vroni getrocknet. Rapaport hat mir dabei
Gesellschaft geleistet. Er weiß nicht, was aus ihm noch wird. Am Ende springt er
ganz aus, nimmt einen praktischen Beruf an (wieder Jurist ?) und holt sich so über
Widerstände den Gestaltungsdrang. Durch Burgls Erkrankung stark präokkupiert.
Auch voll Angst wegen der vielleicht schon infizierten Vroni. Jedenfalls reise ich nicht
am Sonntag
…
16.V.1924
Also es war keine Diphtherie, Felix u. Dr. Wendel, die um 6h noch einmal zusammen
untersucht haben, waren ganz einstimmig.
–
Abends bei Frl. Julie (Bergner) ; sie war weit über d. Stück hinaus Persönlichkeit.
Eine wundervolle Schauspielerin, weil sie gar keine ist. Das Stück selbst ist auch ganz
anders geworden. Als ich es vor Jahren gelesen hatte, war mir die Rolle des Lakaien
das furchtbarste, brutalste Erlebnis
– Frl. Julie darum wegen ihrer verzweifelten Sinn-
Abb. 51 : Der Schriftsteller und Musikwissenschaftler Richard
Specht, gezeichnet von Viktor Tischler, 1921.
Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 458
- Category
- Biographien