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Erica Tietze-Conrat - Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
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402 Tagebuch 1926 Suchen einer Schiffahrtsgesellschaft in Valencia und dann auf der Eisenbahn ver- bracht. Die Landschaft war aufregend : Wüste, Felsenschluchten u. Wüste, ohne eine Pflanze oder nur das Spartgras (aus dem sie die lustigsten Körbe machen) spärlich darauf  – und denn die üppigste Huerta mit Fruchtbäumen u. Palmen Dickicht, daß man kaum die rote Erde durchsieht. Der Sonnenuntergang war märchenhaft, ein schwefelgelbes Licht zwischen einer grauen Wolke u. der ebenso grauen Sierra, beide Streifen gleich gezackt. Es war Weltuntergang oder noch eher das Unbewohnte, das noch wartet. Der Segen des Humus der ausgeblieben ist  … Ich hab im Zug gezeichnet. Unter anderem auch eine alte Frau, die auf einem Aug erblindet war ; die wunderbar gehalten hat. Vielleicht eine Stunde ohne sich zu rühren. Das sehende Aug hat nach innen geschaut. Ich hab das andre Aug anschauen können u. es hat nichts von mir gewußt. Während ich sie zeichnete, war mir’s wie in der tiefsten heiligsten Stille. „Wer wird früher sterben“, fragte ich mich  – „du oder ich ?“ Aber sie sah schon aus wie tot. Ich erschrak, als sie das schwarze Tuch herunter nahm und ein ganz kleiner runder Affenkopf mit spärlich schwarzen Haaren sich ans Licht schämte  …25 Und dann die Ankunft in Murcia, von dem d. Baedeker sagt, daß dort das kultur- niedrigste Volk von Spanien sei, auf dem Bahnhof ein Hexensabbath der Kutscher und Träger. Einer tanzte um uns wie ein Kreisel zu Beginn. Wir flohen zufuß in die Stadt, die wie ein elendes Fischerdorf sich präsentierte. Im Handumdrehen ist man auf einem Platz, auf dem zwanzig vornehme Autos stehen. Eine Brücke mit rau- schendem Fluß. Das Hôtel steht erst seit 2 Jahren (Regina), der Wirt empfing uns mit einer köstlichen Rede. Er zeigte seine Herrlichkeiten. Die Aussicht (es war drau- ßen finster), eine Pflanze im Topf „Wie zart sie ist !“  – […] das Water Closet  – in dem das Wasser fehlte ! Die Kellner kamen in Fräcken, 9 Gänge gab es zum Nachtmahl. Aber in der Nacht ein zu heißes Bett u. Moschitos. Wir hatten noch am Abend die Stadt besichtigt, die barocke Fassade der Kathedrale mit der elektrischen Birne auf dem Ziffernblatt und die Hauptstraße, die noch am ehesten wie einst der Rio Terrá in Venedig aussieht, mit den ziehenden Leuten, den Promenierenden zwischen an die Mauer gerückten Strohstühlen der Zuschauenden. Wenn es sehr heiß ist, so sind die Plachen ganz oben an den Häusern über die ganze Straße gezogen. Für den Wa- genverkehr ist sie immer abgesperrt  … Bei Tag sah die Stadt nicht viel weniger uneu- ropäisch aus als bei Nacht. Der aufstrebende Ehrgeiz wechselt gut mit grenzenloser Primitivität. 8 Stock hohe neue Häuser mit gassenweit niedrigen Kaleschen, hinter deren Fenster  – oder Balkongittern die Kinder wie die Affen klemmen. Es hat uns Freude gemacht Wappen u. Inschrifttafel unseres Salzburger Erzbischofs M. Lang an dem Turm der Kathedrale wiederzufinden. Interessant sind nur die großen Prozessi- onsstatuen (28 Männer tragen einen solchen Aufbau), die die Szenen der Passion in bunten Figuren darstellen (Zarcillo) ; nur der Christus u. die Muttergottes sind dabei in wirklichen Kleidern  – für diese hat der Künstler, weil er nur Kopf, Hände u. Füße
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Erica Tietze-Conrat Tagebücher, Volume I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
Title
Erica Tietze-Conrat
Subtitle
Tagebücher
Volume
I: Der Wiener Vasari (1923–1926)
Editor
Alexandra Caruso
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2015
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79545-2
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
458
Category
Biographien

Table of contents

  1. Danksagung 9
  2. Alexandra Caruso : Zur Edition 11
  3. Edward Timms : Zum Geleit
  4. Die Aufzeichnungen einer „tiefverzweigten“ Frau 17
  5. Alexandra Caruso : „Der Wiener Vasari“ 21
  6. Tagebuch 1923 30
  7. Tagebuch 1924 186
  8. Tagebuch 1925 308
  9. Tagebuch 1926 384
  10. Alexandra Caruso : Zur Spanienreise 387
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