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IV, Satiren. 21?
klagst, habe ich mich über scine Wärme ver-
Ter ,v>auptwcrt der Schauspielkunst nämlich,
wie der aller übrigen, nicht schaffende», sondern
bloß ausführenden Künste, besteht fiir den ge-
sund organisierten Menschen darin, daß sie
Kittel wird, zum Genusse eines andern, selb-
sländigern Kunstlverkes zu gelangen. Die Paga-
uinis sind selten, die durch die Art, wie sie
spiele», das vergessen machen, was sie spielen;
im allgemeinen wird ein Virtuos anf der Violine
vortrefflich vorträgt, dagegen aber langweilen,
wenn er ein elendes Machwerk, sei es auch mit
Aufwand von Geschicklichtcit, uns hören läßt,
'.>>lcht als ob wir darum seinem Talente des
Vortragcs unser» Beifall versagteu, Wir werden
ihm Beifall geben, weiden uns aber nichtsdesto-
weniger langweilen, Genau in dem Falle des
Virtuosen auf der Violine ist nun der Tchau-
Welcher Genuß geht über ein vortreffliches, vor-
trefflich dargestelltes dramatisches Wert? Ein
langweiliges Stück wird uns die Kunst des
ni»i§ sind seltc», in jeder Kunst.
Ich sehe Dich in Gedanken vor Freude auf-
springe». Na ist den» die Kalte des Publikums
den Dichtern in die Schuhe geschoben, Nicht so
gauz, wie die Folge zeigen soll.
Aber Du besinnst Dich, Auch diesen Er-
Deinen Schauspielern zn statten komint, Lang«
lucilige Stücke? Nichtsdestoweniger! Vci den-
selben Stücken bleibt das Publikum lall, d,e ec-
vor zwanzig, ja vor zehn Jahren uoch entzückten,
— Halt, Freund! Wir sind auf der Fährtc! — Laß
uus darauf fortgehen, vorerst aber zum Behufe
unserer Frage die an der Tagesordnung befiud-
vortrcfflichen, eigentlich klassischen Werke, leider
beinahe durchaus aus einer früheren Zeit, In die
übrigen älteren, welche, ohne gerade vortrefflich
5» fein, doch sonst dem Publikum ein großes
Vergnügen gewährten. Die dritte Klasse end
lic!) mögen die neuesten ProduKiuncu einnehme»; gut und schlecht, wie es kommt, nur freilich mit
einem starken Übergewichte des letzteren,
trifft, so ist das Publikum in bezüg auf sie
allerdings in einer kläglichen Presse, Es hat
sich nämlich in unserer Zeit eine sogenannt«:
Wissenschaft der Kritik gebildet, uud von der
Produktion getrennt, ja sich geradezu über si^
gestellt. Den ersten Anlaß zu dieser Erscheinung
gab der leicht erklärliche, ewige Krieg der meh'.'
minder Talentvollen, Es wird nämlich den
elfteren gar zn schwer, in den letzteren das
Walten einer hiinmclsgabe anerkennend zu ver»
ehren, die ihnen um so zweifelhafter scheint,
als reines Geschenk erhalten wird. So feinden
ungefähr die Halbgebildeten unter den häßlichen
Franenzimmern die schöuen au, als ohne ihr
Verdienst ausgezeichnet, und nur die Ganzgo
handencii Werke des Schönen auch allenfalls
uutcr die Denkgesctze gebracht uud diese dabei
in der Form von Ziegeln ausgesprochen werden
tonnen, glauben sie, uon den bloßen Deuigesetzen
Urteile über das Vorhandene, die ihnen als
Beleg ihrer Regeln dienen müssen, mit einer
Art Begeisterung aussprcchen, so scheint ihnen,
schönen «uust, das erhöhte Gefühl nämlich, diesen
ilnv» Anordnungen nicht zu fehlen, Die Gc»
täuschten! die uicht begreife», daß dieses e»
höhte Gefühl der Kritiker bei ihnen kein ur»
sprü»glichcs, sondern ein vermitteltes ist, die
Kunstwerkes ergreift, aber auch nicht weiter
reicht, als dieses Knnstwerk selbst, nnd schnell
verschwindet, sobald die Grenzen des Zauber»
kreises überschritten sind, der so seltsame
Ilegungen erweckt. Nicht anders leuchtet der
glimmende Schwamm, den man für einen Augen»
aber schnell wieder zur vorigen glimmenden,
qualmenden Masse, sobald eiue. a»dere, wenü,
auch nock so gesunde Atinosphärc ihn umgibt.
Korrespondenznachrichten aus dem Lande der Irokesen.
Anondago, am 1, April 1820,
Lieber Freund!
Tu wirst wohl erstaunen, wenn Dn das
Datum meines Briefes liesest. Anfänglich weißt
gegenwärtigen Aufenthaltsort, hm versetzen sollst.
Tu wirst eine Erdbeschreibung zur Hand nelmien,
und statt von Teinem 3tan»e» zurückzukommen, uur noch mehr eisiannen, wenn Tn findest, daß
Anandago im Lande der Irotesen, im fernen
üntario, liegt. Im Lande der Irokesen? wirsr
Tn rufen, Ja, im Lande der Irokesen, wo ich
aeine bin, wo ich bleiben will, solang' ich lebe,
suchte, uud wovo» sich in Deutschland kaum noch
die ersten Spuren zeigen: echt nationaler Sinn,
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik