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L, Zur Ästhetik und Poetik. 331
tionär^ anfing, ihre Usurpationen über benach-
bartes nnd N>o!lil^,ndes Gebiet auszudehnen. —
Wobei jedoch Uor allem Kant selbst ausge-
anregendcr über die Vorfragen gesprochen, als
daß aus dem Standpuukte der Philosophie die
5>mnt ül>erl,anpt nicht zu förder,, ist, — Ta-
le« ans. Das Schöuc war a priori er>uiefen,
di^' >!unstforinen desgleichen, fo daß, loeun fie
augeublü'tlich ans freier Faust wieder hätte cr-
sindeu können. Große Schubfächer wurden ge-
ei»c Schubfach als Grundwahrheit galt, war
jür das andere grundfalfch, als ob der Unter-
schied zwischen Mensch nnd Mensch in allen
Nein gesamlen '.'lltcrlnni lvard als Marionetten-
draht die Sclnckjalsidee beigcgebcn, und Anidrn
nnd ^al>datioen ninßten sich abmartern, bloß
nm den brcitgetretenen ,heischcsntz: daß nieniand
weise einzuschärfen, Der Chor war der ideali-
fierte Infehcr, auch da, wo er Mitspielender, auch
befangen ist, als der Znscher selbst, Was mm,
genan nahm, durchaus der Anwendung wider-
strebte, ward als nnwiirdig und schlecht aus-
geschieden; wie denn Euripidcs, einem schlecht-
bestandenen Schüler gleich, bis auf diefeu Tag
mit dem schwarzen Täfelcbcn herumgeht.
Mit dem Schubfach für die neuere Zeit
ging das nicht so leicht an, Naß namentlich
das Tragische im Kampfe der Freiheit mit der
Notn'cndigieit liege, darüber war man bald
einig; nnr darüber nicht, ob der Freiheit oder
ihrer Gegnerin der Sieg bleiben solle. Ein
tlcincr Unterfchied, wie man ficht, Statt eines
allgemeinen Prinzips ward daher jeder ein«
wiefen, eine Schnlidee, deren Vcrsinnlichung die
Ausgabe des Kunstwertes sein sollte; ein Zatz,
und zwar kein moralischer — worauf hinge«
übelnahm — sondern womöglich ein theo-
retisch-dogmatischer, was weuiger veraltet, dll-
schon unter ocr Herrschaft der kritischen Philo-
sophie statt, so ward der Drang noch heftiger,
nachdem durch Beimischung von Gefühls- und
ManNifüvlcmenten die Philosophie'selbst eine
Art Poesie gewmden war, wo man denn, um
doch auch eine Philosophie zu haben, gerne die
Poesie dnzn gemacht hätte,
Enlsliinde nun die Fragen ob mau überhaupt
Ideen an die Spitze dramatischer heroor- briugungcn stellen solle? so wäre die Antwort:
Warum niiltt? Wenn man sich einer so gewaltig
lebendig machenden Kraft bewußt ist, als z, A,
Enldcrun, Sonst haben aber die großen Dichter
meistens den Gang der Natnr zum Muster gc-
digi'n Faktnm ausgeht.
Auch müßte jederzeit der Unterschied zwischen
philosophischer und poetischer Idee im Auge bc-
Wal,rhcit bernht, die zweite auf einer Über-
zeugung, Denn es ist die Aufgabe der Philo-
sophie, die Natur zur Einheit des Geistes z,i
bringen; das Streben der Kunst, in ihr ci>:e
Einheit für das Gemüt herzustellen.
Die hier bezeichnete Nichtuug der sogenannten
Kunstphilosophie hatte ein so allgemeines Er-
lahmen jeder ProduktiunZfraft zur Folge, daß
sie sich unmöglicl, lange halten tonnte, Sie ist
im ganzen aufgegeben und fputt nur noch unter
dem rezcnsierenden Troß, wenn er seine Tach-
unkenntnis hinter Worten uerschmizen will.
Länger, und bis ans unsere Tage nach-
wirkend, dauerte die zweite Ausgeburt falsch
angewendeter Gelehrsamkeit: Übertreibung
.hatte man sich in früherer Zeit mit der
Kenntnis der ewigen Alten und etwas förm-
>,,!'m ^ran;ofentum begnügt, so entstand, un-
mittelbar vor und mit dem neuen Jahrhundert,
plötzlich eine Entdecknugswut unbekannter Re-
gionen, den portugiefifch-spaiiischcn Ost- und
Westindienzügcn vergleichbar.
Mit nicht genug zu preisendem Eifer ward
Shakespeare den Deutschen naher gebracht, und
eine neue Welt tat sich ans, als Ealdcron seine
eisten Strahlen dnrchs weichende Gewölk her-
iiderfnndte. Die klassische Welt, bisher aus-
schließliches Eigentum der Gelehrten, ward
ourch Übersetzung Gemeingut für alle. Was
man den Römern entzog, hänfte man um desto
übelfliiwenglichcr auf die Griechen; und im
sa,windelnden Wirbcltanze drehten sich Knnst-
volltommcnheiteu nnd Meisterwerke um den
staunenden Lehrling, Aber durch einen leicht
begreiflichen Irrtum vergaß man, daß, was so
inn eineni Male und in einein Maße die nächste
Nähe vereinigte, in der Wirklichkeit dnrch Länder
uud Meere, durch Völker und Jahrhunderte ge-
trennt war,
Weil man das alles wußte, glaubte man sich
zu der Forderung berechtigt, das alles zu
tonnen, und Shakespeare uud Sophokles
wurden als Wegfäulen uud Meilenzciger hinge-
stelU, indes sie Sterne sind, nach denen man aus
nnendlicher Entfernung allenfalls seinen Lauf
einrichten kaun. Das Gute erfchien klein im
Vergleich mit jenen ewigen .Heroen, und das
Dankenswert-Annehmbare schrumpfte zum Atome
ein, im Eutgcgenhalt eines Maßstabes, d.'ssen
Grade Voltsbildungcn waren, und dessen Ganz-
maß die Kultur des Menschengeschlechtes,
Daß nnn niemand erreichen tonnte, was ge>
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik