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ü. Zur Geschichte und Zeitgeschichte. 369
er !,>it sie, ei ist sie selbst. Wer sich einen An-
griff darauf erlaubt, begeht ein Unrecht, denn
Iwri. Auf die äußeren Dinge hat niemand ein
Necht, Wenn ich aber Mühe darauf verwende
verbunden habe, darf letzteres von niemand an-
getastet werden, weil er mich sonst zu seinem
Diener machen würde, wozu er keine Befug-
nis hat.
Der Staat hat keine Religion, ans dem
einfachen Grunde, weil er alle hat.
wenn man euch einen Backenstrcich gibt, haltet
ihr die andere Wange hin? Liebt ihr eure
Letzt ihr euern Vorteil dem eurer Nächsten ldcr
benachbarten Völker) nach? Erlaubt ihr nicht
den: reichen Gläubiger, den armen Schuldner
fordert ihr nicht vielmehr Steuern von ihnen?
Wenn ihr nun als Staat gerade das Gegenteil
von dem tut, was das Christentum lehrt, wie
zl'lm'ii mögen, können nnd sollen Christen sein,
der Staat ist keine christliche, sondern eine welt-
liche, nnf das starre Necht und den Nutzen ge-
richtete Anstalt, Er ist nur insofern christlich,
als dieses mit dem Menschlichen zusammentrifft.
Es ist schon darum Unsinn, von einem gött-
lichen Rechte zu sprechen, weil der Begriff von
^echt die Idee einer Unvollkommenheit mit sich
führt, Das Recht widerstreitet der moralischen
Gesetzgebung, indem es das Prinzip des Egois-
mus über das der Liebe setzt; indes wir doch alle
übereinstimmen, daß Gottes Wille gerade das
Gegenteil sei, Das Necht ist eine Ausgcbnrt des
Vednrfniffes uud der Verschlechterung, daher
menschlichen Ursprunges, Gottes Wort sagt:
liebe deinen Feind; das Necht sagt: schlag ihn
tot, wenn er dick beschädigt, Gott befiehlt: sei
deinem Vruder hilfreich; das Necht erlaubt mir,
meiue Forderung einzuklagen, wenn der
Schuldner darüber auch verhungern sollte. Es
gibt leine göttlichen Rechte, Sagt man aber,
das Necht sei von Gott, weil alles von Gott sei;
uuu denn, dann ist auch das Übel und die Sünde
von Gott, und wir wollen aufhören, ihn als
den Heiligen zu preisen.
Die schwerste Aufgabe für jedeu Staat- und
Weltverbesserer ist offenbar, zu wifsen, wie viel
Dummheit und Schlechtigkeit in jeder mensch,
Iicw',i Anstalt notwendig gelassen weiden muß,
°3,'!!,! das rein Verständige und Gute kann als
iiolk'üwnm schon darum praktisch nicht bestehen,
«,Mp^izcrZ sämtliche Werlc, I I . Man hat als einen EinWurf gegen den
Grundsatz der Gleichheit angeführt: die Natur
Gaben ausstattet, sei die erste Quelle der Un-
gleichheit, Gewiß! Aber eben weil es die Natur
schon von selbst tut, laßt die Natur nur fort-
machen uud fpart cuere Gesetze!
»och vou der Möglichkeit einer patriarchalische
Negierung, einem blind gläubigen Zusammen-
leben der Staatsbürger, einer unbewußt zu-
fricdenen Selbstbeschränkung der Ansprüche der
einzelnen. Nie Möglichkeit läßt sich nicht ab-
leugnen. Zahlt eure Staatsschulden, reduziert
die Wcltangelegenhciten, dann könnt ihr zu
.Haufe allerdings einen Versuch machen, Die
bisherigen gesteigerten öffentlichen Zustände
zu können. Ihr wollt cuern durch Bildung
großgcwordenen Nachbarn gleichstehen, uud doch
in der Bildung zurückbleiben, ihr wollt tüchtige
Eigentümlichkeit; Krieger, aber keine Charakter»
stärke; Handel, aber leine Freiheit; Kredit, aber
keine Wahl des Zutrauens, Vom Stumpfsinü
fordert ihr die Früchte der Weisheit,
Staate dem hoheu Adel zuteil weiden? In
Deutschland, ja. Nenn in diesem Lande sind die
Einsichtigen und Wissenschaftlichen zugleich un-
praktisch uud unschlüssig. Nur der Tor und der
Aufgeblasene ist zugreifend und rasch; da aber
Geschäfte vorwärts gebracht werden niüfsen, so
schicken sich die Vornehmen am besten dazu. In
Frankreich nnd England ist das freilich anders.
Großen: Takt, und gewisfenlosen Leichtsinn:
Entschlossenheit,
Vei Beurteilung der politischen Ereignisse
kann als Negel dienen, daß hinter allem, was
den Anschein des Unverfänglichen hat, ein gc-
hat, als die vollkommenste Gedankenlosigkeit,
Nie Diplomaten rangieren in geistiger Hin-
sicht mit den Weibern, Sie haben Verstand,
aber es ist ein Weiberverstand.
Nichts wird in den mcufchlichen Dingen,
namentlich in der Staatskunst und der Diplo-
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik