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VI, Viugraphischcs,
bare Volfianismns war. Oft, erinnere ich mich,
rief er während der Vorlesung aus: Komm her,
o «ant, und widerlege mir diese,i Beweis! Seine
notdiirstig Platz machten. Änf sein schematisches
Gerüst war er so stolz, daß er den Schülern er»
laudte, dasselbe bei Prüfungen in Handschrift
vor sich zu haben, wo dann die mit scharfen
Anqen Begabten sich die Tcsinitioncn mit Heiner
Ettniit dazwischen schrieben. Ich, der ich ein so
!ui -,es Gesicht hatte, als der Professor selbst, ent-
behrte leider dieses Hilfsmittels, Tas Ganze
I'öchst gutmütige, Mann der deutschen Sprache,
Ter Professor der Mathematik mochte so übel
nicht sein, nur hatte er in einem Jahre sieben
Bände eines mathematischen Lehrbuches abzu-
handeln, so daß er von einein Lehrsahe auf den
andern Mang und wieder ging, ehe man das
erste begriffen hatte, und so der hauptnutzen
von der Mathematik, die innere Erfahrung von
dem ^esen des strengen Veweises, ganz ver-
Ter Professor der philosophischen Philologie
galt für eine» tüchtigen Mann, nur war er
Nocken lns ^iiin Abschreckenden, und so ans seine
Übersetzung der tüstulanischcn Untersuchungen
v^rseisen, daß er jeden anderen, als den von
ihm gebrauchten Ausdruck, mit stummem Kops-
schütteln -,urüciwies,
Am meisten befriedigte uns der Professor
der Geschichte, trotz seiner vollendeten Geckerei,
Sein Vortrag war affektiert, aber lebhaft, Ta
mir hie Geschichte nüs inciueu Kindeljahren ge-
länsig war, so sand ich mich hier am besten zu-
recht. Ich erinnere mich sogar, daß er meine
Art, die beschichte zu studieren, sämtlichen Mit-
schülern als Muster empfahl, da, bei einer Prü-
fung über die hnndclswegc der Alten, er aus
meinem hernmzeigcn mit den Fingern auf der
Schulbank abnahm, daß ich mit Zuhilfenahme
d '^r Landkarte studiert hatte,
Meine gleicherweise aus Büffon erworbenen
Kenntnisse in der Naturgeschichte halfen mir bei
dem Professor dieses Faches wenig, da er, als
Mitglied der Landwirtgescllschast, hauptsächlich
auf die Konfigurationen und Schichten der Erd-
oberfläche gestellt war, welche mich nicht inter-
essicrte. Von dem Professor der Ästhetik läßt
sich nur sagen, daß er das gerade Widerspiel
dem Professor der Philosophie sie sich gegenseitig
Leider übertrug ich meine Geringschätzung
der Professoren auf die von ihnen vorgetragenen
Wissenschaften, und lernte im eisten Halbjahre,
im strengsten Sinne des Wortes, gar nichts, was
um so unbegreiflicher ist, da nach der damaligen
Studieuciurichtnng man am Schlüsse des Halb- jahres eine mehr oder weniger strenge Pl'üsiiüg
wiifztc und des Lateinischen mächtig genug sei,
um der Philologie zn genügen, besonders da ,>!,
den Inhalt der tnslulamschen Untersuchungen so
unbedeutend faud, daß ich gar nicht begriji,
die Mühe geben miigeu, das alles niedcrzu'
schreiben, Tie Geomei!^' linderte mich geradezu
>in, besondere durch ihre Mißbandlung d,-> >"
stalt, wo denn Linien ins Willtui>>>>>>- ^'Nängert,
verschiedenes als gleich gej'eiU n,,d die rein»
lichsten «reise durch hii!ein>,,'^n!,!>>'!>' Dreiecke
mich auch auf das Villardspiel, zu dem mich ein
Verwandter von gleichem Alter an- oder wohl
gar verleitete. Na wir t>>'ide wl'msi Geld I,a!t,,,,
iibtcn wir nns in der hinteistube eines Kassee-
Imnses, welche so finster war, das; wir mehrere
Minulen brauchten, um uur das Billard und
die Bälle unterscheiden zu können
Zugleich hatte sich schon in den letzten Gym»
nasialjahren meiner eine unersättliche Lust zur
Nomancnleltürc bemächtigt, und ich, der ich in
meiner Knnbenze^t nnr gnte Bücher gelesen
hatte, verschlang nun Tpiesi, «ramer und Lajo,!'
taine mit eigentlicher '^nt. Ich erinnere mich,
in Sommernächten bei Licht bis ,;nm Morgen
und nach Aufgang der Sonne, ohne Schlaf, bei
der Tageshelle weiter gelesen zu haben, und so
oft ich jetzt ein chemisches Feuerzeug zur Hand
nehme, überkömmt mich ein Tnnlgesny!, w,', -,
ich der Zeit gedenke, wo ich bei Nacht mich
stundenlang fruchtlos abmühte, mir mit Stahl
und Stein Licht zu verschaffen.
Meine eigene,! schongeistigen hervorbrin»
gnngen hatten in meinem Vater ein großes
Hindernis gefunden: so oft ich ihm ein Gedicht,
meine Arbeit, oder Ähnliches zeigte, konnte er
anfangs eine gewisse Frende nicht verbergen,
die aber bald in immer heftiger werdende Kritik
überging, deren Schluß immer die stehende
Phrafe war, „ich würde noch auf dem Miste krc«
Pieren". Tns hing wahrscheinlich so zusammen:
d,ner der Vrüdcr meiner Mutter, eiu liebens»
würdiger und anstelliger Mann, hatte, ohne
eigentliches Talent, sich eben auch mit poetischen
Bestrebungen abgegeben. Er machte Gedichte,
übersetzte Theaterstücke aus dem Französischen,
wobei eben äußerst wenig herauskam, Ja, er
vernachlässigte darüber die eigeutlichen Not-
wendigkeiten, nnd nur ein eigener Glücksstern,
verbunden mit einer großen Gewandtheit, mach-
ten, daß er sich doch immer über dem Wasser
erhielt und uach unzähligen Vestimmungs-
wechseln sich in Ansehcu und guten Vermögens-
ninständen befand. Mein Vater mochte mir lein
größeres Talent bei einem vielleicht minderen
Glücksstern und gewiß geringerer Anstelligteit
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik