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VI, Biographisches,
aber recht tüchtige Meisterin erteilte, von deren
Geschicklichkeit die Fortschritte meines Bruders
zeugten. Endlich sollte ich befreit werden,
^,/iü Vater schloß sich das ganze Jahr ab.
Um aber seinen gesellschaftlichen und Familien-
Verpflichtungen nachzukommen, gab er jeden
Fasching einen einzigen, aber so glänzenden, ja
kostspieligen Ball, daß in der halbe» Stadt da-
von die Ncde ging. Als wir später die Nolinung
wechselten und die neue nicht mehr jene unge-
heuren, zum Tanze bequemen Räume der alten
darbot, wurde der frühere Ball in zwei oder
drei Abendgesellschaften mit Spiel und Sonpcr
ausgelöst, bei deren einer mein Bruder und ich
die Geladenen durch unser Klavierspiel uuter-
Imttcu sollten. Mein Bruder Eamillo spielte
mit allgemeinem Beifall, als aber au mich die
Neihe tam, war ich nirgends zu finden. Ich
Iiaite mich in das Bett unfcres Bedienten ver-
troche», und alles Suchen war vergebens, Erst
nachdem die Gäste ihren Abschied genommen,
kam ich aus meinem Versteck wieder hervor.
Na brach meiu Vater iu hestigen Zoru aui-
so sollte ich doch wenigstens nicht meinem Bruder
dir Hälfte der Lchrstunden raube». Und so
war es mit meinen Lektionen zu Ende, Turch
sieben oder acht Jahre habe ich mit keinem
Finger das Klavier berührt,
nach außen, Tie Poesie lag mir zurzeit ziem-
lich fern, wäre auch mit ihren scharf ausgc-
desiimmlen onipiiudunge» gewesen. Ich vcr-
aber ich hatte alles vergessen, selbst die Note»
waren mir freiiid geworden, Ta lam mir zu-
siattl'», daß mci» erster Klauiermcister Gallus,
der Gruudattorde beigebracht hatte, Ich ergötzte
mich an dem Zusammenklang der Töne, die
diese bildeten sich zu einfachen Melodien, Ich
gab den Noten den Abschied nnd spielte aus dem
sieren tonnte. Oft legte ich einen Kupferstich
vor mir auf das Notenpult und spielte die
mich noch, daß später, während meiner Hof-
meiüerschast, in einem voruchmcn Hanse, der
schätzter Mnsiker, mir viertelstundenlang außer
der Türe zuhörte und beim Eintritte seines
Lobes kein Ende finden konnte, Auf dem Gute
desselben Grafen war kein anderes Instrument,
als ein altes Klavier ohne Saiten, dcmnngc-
darauf gespielt, und der Abgang des Tones war mir gar nicht fühlbar. Als ich mich fpäter d<r
Poesie ergab, nahm diese Fähigkeit des musita-
lische» Improvisierens stnfcnweisc ab, beson»
zu bringe», Unterricht im Kontrapunkte nahm,
VieEnlwickelungen undFortschrcitungen würd,'»
nnn richtiger, "aber das Inspirierte ging mir
mehr als beim Erwachen meiner musikalischen
Neigung, Ich hatte immer das Wunderliche,
daß, wenn ich von einem Gegenstände auf de'i
andern überging, ich mit der Lust an dem
früheren auch zugleich alle erlangte Fertigkeit,
ja Fähigkeit verlor. Ich habe alles getrieben,
was der Mensch treiben kann, Tanzen und
Jagen, Neitcn und Fechten, Zeichnen und
ich habe es, mit Ausnahme der Jägerei, mit
einer bestimmten Anlage getrieben, und das
alles ist mir sremd geworden. So war ich einer
Wasser würfe, ich würde gewiß ertrinken, Tie
Inspiration war mein Gott und ist es ge-
blieben, —
In jener Zeit nun dachte ich auf nichts als
M»sit'. Hch fetzte fogar Lieder, die ich mit eincr
leidlichen Tenorstimme sang, darunter Goethes
„König von Thulc", Ticses Lied konnte sich
spielen und singen. Nur als es sich mit seiucr
Krankheit zn Ende neigte, ließ er mir sagen,
ich möchte es nicht mehr singen, es mache ihn
traurig, —
Tie Voraussetzung unseres Arztes Elosset^
mein Vater könne b.i gehöriger Viät noch viele
nicht fehlen, aber die Zeitumstände beschleunig-
ten den Lauf seiner Krankheit, Als wir uufcre
Teil feines Ersparten auf Herstellung und Ein»
richtuug derselben verwendet, Ta w»rdcn Türen
vermauert nnd neue durchgebrochen, Parketten
niemand besuchte; aber es schien einmal der
^niüids^tz meiiies Vaters, alles, was er machte,
lmtte ihn »m eine namhafte Summe betrogen,
Tnzu kamen nun die Kriegsläufe des Jahres
der Stadt, der Einzug der Franzosen in Wien,
die Stockung der Geschäfte, die Einquartierung,
die Kriegsstcuer und Kontributionen, uor allem
aber fei» vaterländisches Herz, das nnter allen
diesen Erniedrigungen unendlich litt.
Ich hatte mich bei der Belagerung von dem
einen Teil der Festungsmaner besetzte, — Als
nnn in der Nacht die Geschütze unausgesetzt
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik