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VI, Biographisches.
getroffen; ging aber das Wild durch, so wendete
fttl, der alte Herr zornig zu sciueu Leibjägcr
um und sagle^ ^,'el! Da ich nuu selbst infolge
meiner Kurzsichtigkeit schlecht schoß, bei dem
jnngeu Grafen aber froh sein mnsüe, nicht selbst
sür einen Hasen oder ein Rebhuhn gehalten zu
werden, so gehörte die ganze Jagdbeute gewöhn-
lich den, ^aiipt des Hauses, und er war stolz
>',,,! ieiue >!unst,
^denso tonnie er, obivo!,! er seit dreißig
Hainen alliälnlicl, secl,-^ Monate iu Mähren zu-
dracine, nicht ein Wort böhmisch, Daß die
Banern nicht deutsch uud nicht französisch ver-
standen, wnßte er, in jeder anderen Sprache aber
prmendieite er, verstanden zu werden, Be-
smidrro freigebig unir er niit lateinischen Aus-
drüsleu uud ärgerte sich, wenu die Bauern nicht
So vergiug die schöne Jahreszeit, und wir
kehrten iu die 3tadt zurück. Ich weist nicltt,
N'lir eo ^parjamleit, oder n>ar mau mit mir so
Unfriede», es erschien noch imnier lein Hofmeister,
^>>ir ward da^ Verhält,ns uulcidlich, Nicht
allein, daß meine Verbindung mit Älüuütter
vor allem dadurch, daß ich iu meinem einund»
z>l'auzigsteu Jahre durch gesetztes Betrage» eiu
Muster uud Beispiel sür meinen Zögling sein
Meiuen Vorstellungen wurde entgegengesetzt, daß
mau einen Hofmeister suche, aber noch immer
leiucu gefunden habe. Es war die traurigste
Zeit meines Lebens, hat die übelste Wirkung auf
meine Stimmung und Iugendentwickcluug ge-
InU't, und uur die Lage und driugendcu Nitteu
Nnn verwirren fich, >r>ahrfcheinlicl, durch die
Langweiligkeit der Sache, meine Erinnerungen,
deidldeier Praktikant bei der wiener Hofbibliu-
>>,e! eintrat, zugleich aber uuch immer im Hanse
deo >'>rafen hofnieisterte. Wie ich das vereinigte,
Sommer demselben Jahres mit der Familie
wieder nach Mahren gehen konnte; wahrschcin-
bibliothcl ihucu nach, und der Onkel machte in-
zwischen seldst den Hofmeister, Ich finde mich
w^der mit ihnen auf einem Jagdschlösse im
waldigieu Teile des Hrndischcr Kreises, Vs war
ni der Mitte eines Fasau- und Wildgarteus auf
einer zieniliciieu Äi,I,öhe ciusam gelegen, wunder-
Zug nach ^ioctan, der lluiel^ang de7' frauzösi-
d^l,!,>'e,i Freude, nm der ioir alle, ich auch, die
gehäuften Greuel verualnuen. Jetzt hatte sich
ilsierreiä, iu die Verhandlungen gemifcht, uud
mau zweifelte uicht, daß es teil an dem
,^ r,e>ie >',eqen Napoleon nehmeu werde, Naß in
diesem Falle die Franzofen in Böhmen eiu brechen- und darin weiter vordringen würden,
als uns irgend lieb war, war uns nach frühereu
waren immer zur Flucht bereit; ja vielleicht
hatte der Graf nur darum sein Schloß Lukow,
nahe der ungarischen Grenze, zum Ausenthalt'
an, gestört zu werden. So felilte es iu uuserein
Schlosse, wo sonst alles in Überfluß war, all-
gemach an Kolonialartikeln, Ta bestimmte ker
alte Onkel, sein Neffe sollte statt des Kaffees
täglich eine Milchspeise frühstücken. Mir wurde
den gewohnten Kaffee, solange der Vorrat
währte, wie früher zu trinken. Ich entschied
mich für ersteres aus Rücksicht für die alten
Leute, Diese Milchspeisen beschwerten mir wcihr-
meiner späteren Krankheit,
Unser Schloß lag, wie gesagt, ganz einsam,
und die nächste Kirche, eiu Wallfahrtsort, Maria
beguügtcu uus mit der Sountagsaudacht. Au
einem folcheu Souutag hing der Himmel voll
einen ungeheuern^ wohlverfchlosscuen Wagen
einzusteigen, als der Onkel hinzukam und mir
anlag, ihn uicht allein fahren zu lafseu. Er war
anders, als auf einem niederen Wurstwagen
mit zwei alten Schimmeln, die er selbst leitete,
Dabei war ich fast inimer sein Begleiter, dem
und Peitsche anvertraute. Auch soust ging es so
langsam, daß iu solchen Momenten die Pferde
stehen blieben und sogar an den Rainen des
Weges grafetcn. Die Fürstin, die mich licb
hatte, protestierte, er aber verfprach diesmal
5e>i ^ttummelu „eiwas ins Ohr zu sagcu" u,.d
mich noch vor dem Regen nach Maria Stip zu
bringen, Ich gab nach, uud wir fuhren ab.
Wir hatten längst den Wagen der Fürstin aus
den Augen verloren uud befanden uns etwa
auf der Hälfte des Weges, als der Regen in
Strömen herabgoß. Als wir, bis auf die Haut
durchnäßt, iu Maria Stift autameu, war mein
erster Gang nach den beiden einzigen Häuferu,
die sich uebst der Kirche da befanden, dem Hause
des Geistlichen und des Kirchendieners, um
Wäsche zu wechseln uud im Notfalle selbst eine
Kutte des Geistlichen anzuziehen. Wir hatte»
schloffen uud die Bewohner in der Kirche, Mir
blieb nichts übrig, als anch hineinzugehen, wo
mich denn schon ein empfindlicher Frost an-
wandelte. Des nächsten Morgens erwachte ich
in einem hitzigen Fieber mit Phantasien und
allein Zugehür, Da war nun Not an Manu.
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik