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VI, Biographisches. 511
der ungeliein'rn >luppel und dem, was nnin bei
uns Presbhterium nennt, die emporsteigenden
Sitze, deren ich sechzchu übereinander zählte,
Nnilm für achttausend Kinder, In der Mitte
ein Predigtstuhl, im Fond die Orgel, Nie Vci-
sanunluug i>u gan^-n bio vicizchntausend Men-
schen, Tic Zuscyer waren bald versamniclt,
unabsehbar, anßcr der Peterslirche in ^iom
nichts damil v^Vlileittil'ar, <^ach und uach stellten
sich die Kinder ein. Nach den Pfarren in ver-
schiedenen Falbrn gekleidet. Nie Knaben höchst
Weiber, doch durch di^ mis;erordcntliche Rein-
lichkeit ihrer ,Hauben, Schürzen und .Halskrägcn
,,,!>!! P,!licls>l,!,,!i, jainüich glänzend weiß, ein
wohltuender Anblick, Blau, grün, rut in allcu
Schattierungen, schlvarz, braun, grau, dieMäd-
c!nu von unten hiuausteigend, die Knaben von
oben heral>, Älo alle nchttanscud beisainmen
d,r Welt niä,t ist. Gegen die Orgel zu ein
7vächcr uon lanter Mädchen, schneelveist, von
dunkeln Farben eiugesänmt, wahrhaftig wie eine
Engelsglorie, Tie andern snßeu horizontal gc«
!,n,gelehrt nach unten, Hier und da war die
gleiche Linie durch einen Hanbcn- und Schürzcn-
w.'ltcl, in, Sopranschlüssel gesetzt. Die ziemlich
hatte, Ter protestantische Erzbischof über ganz
Irland <ÄI IrLlauä, Gott verdamm' ihn!) hielt
eine Predigt, die er selbst verstanden haben mag,
Ter huudelidrci^'lmtc Psalm recht gut kompo-
dern denn doch zu bunt war, Endlich uach
drilthalb Stunden ein nicht unwillkommenes
Ende. Wir, die wir schon um zehn Uhr da
halten. Ging mit Figdor ins London-Kaffee-
haus, wo er mich traktierte. Vortreffliche eng-
üi.l^' >luche, ^alm, für einen Kaiser zu gut,
Roastbeef über alle Vorstellung, Iohnnuisbeer«
Grüne Erbsen, in Wasser abgelocht, Grüner
Talat, roh zu esfen, was wir bleiben ließen,
^lilctäse, dein nichts gleichkommt, Das «uveN
vier Nhillinge, Nazu Ale, hochhcimer und
zum Schluß etwas Eherry, .Hernach iu dcu
^igarreudilllln, wo für einen Shilling die
^ersml eine Zigarre uud eine Tasse schlechten
»asiee erhält, Zeitungen in Überfluß, Sah
und las feit beinahe drei Monaten zum elften
Male wieder die Allgemeine Zeitung, Unter
ander,u, der «aiser von Österreich habe deu Erz-
herzog Lndwig zum Mitglied des Staatsmiiiislc»
riums eliiannl, ilin, der solauge die obersten
Geschäfte halb selbständig leitete. Ist das eine
^NMuna. oder Erniedrigung?
Giug darauf iu die italienische Oper, ),I«'!llo l'Äliero von Nouizclti, hübsche Sachen, Die
Grisi gefiel mir nicht, Tamburini hat offenbar
fcjne Stimme verloren, Lablache der beste, ohne
Mit mir in derselben Loge ein recht artiger Eng-
länder, der recht leidlich französisch sprach uud
die Musik zu goutieren schien, Zwei seltene
Eigenschaften in diesem Lande,
Ich komme um Mitternacht nach hause und
finde, daß die jungen Leute fich eine kleine
Abend- oder Morgeunnterhaltung machen, wo-
I.n'i sie einen .Höllenlärm verbringen. Ich will
mittlerweile fatt.
Nie Ordnung war bewunderuugZwürdig in
der Paulskirche, nur störte, was aber nicht
anders fein tonnte, das Kommandomäßige ge<
Stellen der Gebete die Kinder auf ein Tempo
sich die Augen mit Händen und Schürzen, was
eiu wenig heuchlerisch aussah, lußd-ekurcli-mäßig,
Nie Prinzessin Viktoria war da mit ihrer Mutter
Ta nun aber die Leute auf die Vänke stiegen,
um sie zu sehen, trotz der Stewards, die uner»
müdlich die Obenstehenden mit ihren Stäben be>
ließ sie ihren Platz und setzte sich in den Ehoi,
Na kehrten fich deun die dortsitzenden Mädchen
mit dem Gesichte nach ihr nnd machten in einem
Tempo ihr unablässige Verncigungen, so daß
Mitten unter den Gebeten fiel es auf einmal
ein paar Schulbuben eiu, ihr ein lautes hnrra
(Hurra) zu bringen, in das das ganze Kinder»
Heer einstimmte, zum offenbaren Mißvergnügen
des Eizbischofs von Armagh seines hochtoristi»
schen Lords Bercsford); auch scheinen die Kleinen
ciuen Wink zur Unterlassung bekommen zu
haben, denn es blieb bei diesem einmaligen
Nuf, was sonst nicht in der hiesigen Titte ist.
Mein Licht ist zu Ende, ich will mich daher
zn Vctte legen, vielleicht nimmt es doch bald
ein Ende,
Freitag, den 10. Es war ein förmlicher
Ball im hause, was ich nicht wußte, da ich des
bis zum hellen Morgen, so daß ich kein Auge
znluu konnte,
Beim Frühstück erfahre ich, daß der Lega»
tionssekretär gestern noch einmal dagewesen
lichkcit. Will versuchen, ihn heute zu sprechen.
Mir tut leid, daß ich NaumerZ Werk über
zwei Tagen durchblättern. Will es zu Haufe
uachholeu, .Hier gefällt er den Radikalen sehr,
gemeinen Zeituug, die ich gestern las, wird er
heftig angegriffen. Auf deutfchc Weise, d, h, un<
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume II
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- II
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.2 x 15.9 cm
- Pages
- 552
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik