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bischen Gewohnheiten und Allüren, In diesem Sinne
ist auch das Goethesche Wort gemeint: „Man soll
nicht zu sehr aus dem Kostüme der Welt und Zeit,
worin man lebt, schreiten, und ein Weib soll ihre
Weiblichkeit nicht ausziehen wollen". Hier wird von
der Weiblichkeit wie von einem Gewand der Seele
gesprochen; und als ein Kulturprodukt, das über alle
individuellen Unterschiede hinaus normativen Wert
behalten soll, ist sie nichts anderes als ein ästheti-
sches Prinzip. Wenn sie sich dadurch auch nur auf
Schein und Oberfläche erstreckt, so kommt ihr hier
doch keine geringere Bedeutung zu, als diesem Prin-
zip überall sonst.
Einen sehr bezeichnenden Beleg dafür, wie sehr
das Formale bestimmend für die Vorstellungen über
die Weiblichkeit ist, kann man aus den Rassenunter-
schieden holen. Bei den romanischen Frauen bei-
spielsweise erscheint das spezifisch Weibliche viel
ausgeprägter als bei den nordischen. Das geht so
weit, daß den Frauen gewisser nördlicher Distrikte
Deutschlands, wo ein magerer, sehniger, grobknochiger
Menschenschlag von ernstem und ungeschmeidigem
Wesen zu Hause ist, oft genug von Franzosen und
selbst von Süddeutschen vorgeworfen wird, sie seien
„gar keine Frauen"— obwohl sie auf die Männer
ihres eigenen Stammes als vollwertige Repräsentan-
tinnen der Weiblichkeit wirken. In der Tat ist der
Abstand zwischen einer Pariserin und einer nord-
deutschen Kleinstädterin vielleicht größer als zwischen
dieser und Männern mit kleinem, zierlichen Körperbau
und weichem, heiteren, liebenswürdigen Wesen, wie
sie zum Beispiel im österreichischen Militär nicht
selten zu finden sind.
Was den Kulturmenschen vom barbarischen Men-
schen unterscheidet, ist nicht in letzter Linie seine
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299