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Zur Kritik der Weiblichkeit
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noch verhängnisvoller für das Weib als Persönlichkeit sind die geistigen Werte, die im Gefolge der Zivili- sation auftreten. Die Kultur macht aus dem Menschen ein Doppelwesen, dessen intellektuelle Aufgaben den Vorrang über die natürlichen gewinnen; sie differenziert die Individuen noch nach einem anderen Prinzip als nach dem der Gattung, welches das Weib zur Mutter, den Mann zum Erzeuger und allenfalls auch zum Ernährer und Verteidiger der Familie bestimmt. In- dem sie den Aufgaben der Gattung die Aufgaben der Persönlichkeit gegenüberstellt, entzweit sie das Indi- viduum mit sich selbst und scheidet in seinem Be- wußtsein zwei Interessensphären, die, vielfach einander entgegengesetzt, QuelletiefgreifenderKonfliktewerden. Je mehr das individuelle Leben im Werte steigt, je mehr es durch Leistungen und Genüsse der Persön- lichkeit ausgefüllt ist, desto mehr sinkt das Interesse an den Aufgaben der Gattung, denen das Weib in so viel höherem Grade Untertan ist als der Mann— und damit zugleich sinkt der Wert, den das Weib als solches in der Kulturgesellschaft besitzt. Die Zivilisation, die fast ausschließlich ein Werk des Mannes ist, zeigt in diesen Wirkungen, daß sie im Grunde genommen nur für den Mann berechnet ist. In primitiven Zuständen bildet die Mutterschaft für das Weib nach keiner Richtung ein Hindernis. Ob man nun eine gynäkokratische Verfassung der „Urgesellschaft" als erwiesen ansehen will oder nicht — die einfache Arbeitsteilung zwischen den Ge- schlechtern verbürgt dem weiblichen denselben Rang und Wert wie dem männlichen, was ja auch bei den Verwandten des Menschen, den höheren Säugetieren, der Fall ist. Erst unter den Bedingungen der Zivili- sation wird das Weib vermöge der Mutterschaft zu einem untergeordneten und abhängigen Wesen, zu 62
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. GrundzĂĽge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der Männlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges ĂĽber die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der Individualität 261
  13. Nachwort 299
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