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Zur Kritik der Weiblichkeit
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weiblichen Tätigkeit innerhalb des Familienkreises weder auf die primitivste noch auf die höchste Lebens- form des Weibes zutrifft. Bei den sogenannten Naturvölkern kommt den Frauen eine Menge von Aufgaben zu, die sich nach unseren Anschauungen mit der Mutterschaft schlecht vertragen; sie ver- richten gerade die schwersten Arbeiten, diejenigen, für welche der unzivilisierten Männlichkeit Geduld und Disziplin fehlen, und die Mutterschaft ist eine Sache, die nebenher geht. In den obersten Schichten der abendländischen Gesellschaft aber hat das weib- liche Geschlecht die Pflichten der schönen Gesellig- keit, der Standesrepräsentation zu erfüllen— und das Leben, welches die Dame führt, ist keineswegs das der Mutterschaft günstigste, ja in mancher Hin- sicht ihr geradezu abträglich. Die Damen der Ge- sellschaft sind es wahrlich nicht, die den größeren Teil ihrer Zeit und Lebensinteressen ihren Kindern widmen. Es gehört zu den Erfordernissen eines vornehmen Haushaltes, die Erziehung bezahlten Hilfs- kräften zu überlassen; und den höchstgestellten Frauen der europäischen Kulturgesellschaft ist es nicht ein- mal gestattet, ihre Kinder selbst zu säugen. Sogar die Annahme, daß in der Mutterschaft die höchste Aufgabe des Weibes bestehe, wird durch die Kulturgeschichte widerlegt. Zu allen Zeiten hat die sittliche Anschauung unter Umständen dem Verzicht auf die Mutterschaft ein besonderes Gewicht beige- legt; und die hohe Bewertung der Jungfräulichkeit im Dienste religiöser Vorstellungen zeigt deutlich, daß die menschliche Gesellschaft einzelnen Frauen noch einen anderen Beruf zuerkannte, als den soge- nannten natürlichen. Schon in der antiken Kultur war die Vermittlung zwischen der profanen Welt und der göttlichen, das Priestertum, soweit weibliche Per- 64
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. GrundzĂĽge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der Männlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges ĂĽber die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der Individualität 261
  13. Nachwort 299
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