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sohen daran teilnahmen, vielfach an die Bewahrung
der Jungfräulichkeit geknüpft; selbst in Rom, wo die
Mutterschaft gewiß in Ansehen stand, genossen doch
die Vestalinnen, also Frauen, denen um einer höheren
Mission willen die Mutterschaft versagt war, die
höchsten bürgerlichen Ehren. Gewissen Formen des
griechischen und römischen Tempeldienstes scheint
sogar die Anschauung zugrunde zu liegen, daß die
Ökonomie der menschlichen Gesellschaft nicht allen
Frauen die Mutterschaft gestatten könne, weshalb
auch jene, die sich ohne den Willen zur Mutterschaft
in den Dienst des Geschlechtes stellen— sonst überall
als die verachtetsten, als die entartetsten behandelt—
durch religiöse Vorstellungen zu rehabilitieren sind.
Ja in der christlichen Welt, die doch Mutterschaft
und Jungfräulichkeit in ein Mysterium verschmolzen
hatte, und zu deren Direktiven das Paulinische Wort
gehörte, daß das Weib „selig werden wird durch
Kinderzeugen" triumphierte die Jungfräulichkeit, die
nun einmal in der Realität mit der Mutterschaft nicht
zu vereinigen war. Eine große Anzahl ausgezeich-
neter Frauen des christlichen Geisteslebens hat der
Mutterschaft die Jungfräulichkeit vorgezogen. Denn
die religiöse Anschauung des Mittelalters betrachtete
den ehelosen Stand als den der hohen Geistigkeit
allein angemessenen; und die religiös gestimmten
Frauen suchten wie die religiös gestimmten Männer
die Vorbereitung für das ewige Leben, das, jenseits
von Mann und Weib, beiden Geschlechtern den
gleichen Zustand rein geistiger Seligkeit verhieß, in
der klösterlichen Weltflucht— unbeschadet der Vor-
schrift, die ihnen das Kinderzeugen als Weg der
Seligwerdung wies.
Um dieses versprochenen Himmelreiches willen
entzieht sich auch heute noch eine nicht geringe
5 Mayreder, Kritik der Weiblichkeit
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299