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gung von Mutterschaft und geistiger Arbeit nur unter
großen Nachteilen möglich. Hier sind neue Einrich-
tungen zu schaffen— und diese Arbeit kann allein
von solchen Frauen geleistet werden, die sich nach
ihrer Wesensbeschaffenheit der Führung des männ-
lichen Intellekts nicht unterwerfen müssen. Denn
der Mangel der herrschenden Kultur in Ansehung
der Stellung, die sie dem weiblichen Geschlechte ge-
währt, besteht eben darin, daß sie Männerwerk ist,
vom Manne für die Zwecke des Mannes geschaffen,
und so unangemessen dem Werbe als selbständigem
Individuum, wie dies bei der Vorherrschaft einseitiger
Interessen nicht anders sein kann.
Das gattungsmäßig Männliche wie das gattungsmäßig
Weibliche hat in der Familie und in der Gesellschaft
alles hervorgebracht, was es seinem allgemeinen
Charakter nach vermochte. Es ist ein Mißverständnis,
von der spezifischen Natur des Weibes, die man als
eine bis zur höchsten Intuition des Gemeinwohles
erweiterte Mütterlichkeit auffaßt, eine neue Emana-
tion in der Gesellschaft der Zukunft zu erwarten.
Die Mütterlichkeit, die aus der spezifisch weiblichen
Natur entspringt, kann sich ihrem Wesen nach nicht
auf die Interessen der Allgemeinheit richten; denn
ihre stärkste Kraft liegt in der Konzentration auf die
eigene Nachkommenschaft, und gerade die Verblen-
dung, mit der jede Frau ihre eigenen Kinder allen
anderen vorzieht und überordnet, ist teleologisch un-
erläßlich.
Der soziale Sinn — das, was in der christlichen
Terminologie die Nächstenliebe hieß— setzt eine
höhere Differenzierung des Individuums voraus, als
sie bloß mit den Instinkten der Mutterschaft gegeben
ist; sonst würde er sich nicht zuerst als eine Eigen-
schaft des männlichen Geschlechtes manifestiert haben.
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299