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Zur Kritik der Weiblichkeit
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welche die Erziehung eines Kindes mit der Schaffung eines Werkes gesetzt wird, nicht aufrecht zu erhalten. Namentlich die Frauen lieben es, sich mit dieser Parallele über den Verzicht auf geistige Leistungen hinwegzutrösten, den ihnen die Mutterschaft auferlegt. Man weiß ja: die Frauen sollen nichts selber sein und leisten, sie sollen vielmehr ihre Söhne zu dem „heranbilden", was ihnen selbst zu werden ver- sagt ist. Unter allen verlogenen Direktiven, an denen die bürgerliche Ethik reich ist, gibt es kaum eine schlim- mere als diese. Denn sie verführt geradewegs zu jenem Mißbrauch, der als zielbewußte Pädagogik be- rüchtigt ist, und sie bereitet jenen naiven Seelen unter den Frauen, die auf sie ihre Lebensziele bauen, die bittersten Enttäuschungen. Trotz aller Erziehungs- künste — wer kann daran zweifeln? — bleibt ein Mensch das, als was er geboren wurde; ein kleines Ich wird auch durch die inbrünstigste mütterliche Hingebung nicht in ein großes, ein Durchschnittskopf nicht in ein Genie verwandelt. Die Frau, die sich die Ausübung eines Talentes in der Erwartung ver- sagt, es bei ihren Söhnen „heranbilden" zu können, wird in neunundneunzig von hundert Fällen um ihren Lebensinhalt geprellt sein. Lebet doch euer eigenes Leben, liebe Mütter, und erspart dafür euren Kindern die Belastung mit all den Hoffnungen und Wünschen, die sie als eine Verpflichtung, es im Leben euch statt sich selber recht zu machen, mit sich schleppen müssen Nicht in der Regel, sondern viel eher im Ausnahms- falle gleichen die Kinder soweit den Eltern, daß ein völliges Verständnis zwischen ihnen herrschen kann. Jede Generation entwickelt sich in einem gewissen Gegensatz zur früheren; die Elterngeneration ver- 78
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. Grundzüge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der Männlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges über die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der Individualität 261
  13. Nachwort 299
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