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Zur Kritik der Weiblichkeit
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Und Goethe ist von einer ähnlichen Auffassung ausgegangen, als er sagte: „Es ist keine Frage, daß bei allen gebildeten Nationen die Frauen im ganzen das Übergewicht gewinnen müssen. Denn bei einem wechselseitigen Einfluß muß der Mann weiblicher werden, und dann verliert er; denn sein Vorzug be- steht nicht in gemäßigter, sondern in gebändigter Kraft. Nimmt dagegen das Weib von dem Manne etwas an, so gewinnt es; denn wenn es seine übrigen Vorzüge durch Energie erheben kann, so entsteht ein Wesen, das sich nicht vollkommener denken läßt." Die Bedeutsamkeit dieser Aussprüche liegt nicht so sehr in dem Urteil zugunsten der Frauen, als viel- mehr in der Bestätigung, daß etwas an der Männ- lichkeit nicht in Ordnung ist. Im allgemeinen kommt das den Männern nicht zum Bewußtsein. Es wider- strebt dem naiven Geschlechtsdünkel des gewöhn- lichen Mannes, einzuräumen, daß zwischen ihm und dem Manne anderer Epochen im Grade der Männ- lichkeit ein Abstand sein sollte. Was ihm von Kindes- beinen an als Maßstab seines männlichen Wertes suggeriert wird, daran hält er sich, ohne zu fragen, ob es sich mit den Bedingungen und Einflüssen verträgt, denen er sein ganzes Leben lang ausge- setzt ist. Wie ein altes Götterbild, das noch öffentlich ver- ehrt und mit den vorgeschriebenen Opfern bedient wird, obgleich es längst aufgehört hat, seine Wunder zu verrichten, regiert der Begriff der Männlichkeit in der modernen Kulturgesellschaft. Der Vorstellungs- inhalt, der sich damit verbindet, ist erfüllt von Überbleibseln vergangener Zeiten, von Rückständen alter Verhältnisse. Ja man kann wohl behaupten, daß das Mißverhältnis zwischen den modernen Lebens- 103
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. Grundzüge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der Männlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges über die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der Individualität 261
  13. Nachwort 299
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