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Zur Kritik der Weiblichkeit
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Selbst das Mittelalter erkannte den Geistlichen als den höheren Menschen an, wie selten der einzelne die Vorstellungen tatsĂ€chlich verwirklichen mochte, denen er seine Bevorzugung verdankte. Vergeblich suchen wir in der sozialen Tradition der modernen europĂ€ischen Kultur nach dieser Be- wertung. Es ist nicht mehr das priesterliche Lebens- ideal, in dessen Bereich die MĂ€nnlichkeit ihre kultur- schöpferische Macht entfaltet. Denn die Kluft, die zwischendem modernen Denken und der ĂŒberlieferten Religion gĂ€hnt, hat den Priester als ReprĂ€sentanten der Geistigkeit herabgesetzt. Seine Existenz ruht auf einer ĂŒberlebten Weltinterpretation, die ihn von der Teilnahme an dem lebendigen Prozeß der geistigen Entwicklung ausschließt; und der Nimbus, der ihn als den Vermittlerzwischen dem Reich Gottes und dem ge- meinen Erdendasein umgab, ist zugleich mit dem Reich Gottes verblichen. Dennoch besitzt er immer noch eine ausgesprochene Überlegenheit in der Macht- stellung gegenĂŒber jenen, deren geistige Arbeit die alte Weltinterpretation ĂŒberwunden hat: denn diese Machtstellung grĂŒndet sich auf die bewußte, sittlich- praktische Anerkennung eines höheren Menschen- tums, dessen TrĂ€ger der Priester ist, auf den in sei- nem Lebensideale konsequent durchgebildeten Gegen- satz zur primitiven MĂ€nnlichkeit— was freilich nicht hindert, daß in einer mit Verfallsprodukten ange- fĂŒllten Zeit, wie die Gegenwart, Ă€ußere MachtrĂŒck- sichten eine paradoxe Interessengemeinschaft zwischen dem MilitĂ€r und dem Klerus herstellen. Den MĂ€nnern der profanen Geistigkeit aber fehlt das Bewußtsein dieses Gegensatzes; daher sind sie unvermögend, aus ihren Lebenszielen heraus eine neue, mit normativerGewalt ausgerĂŒstete Rangordnung der MĂ€nnlichkeit zu schaffen. So groß das mĂ€nn- 121
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, MachtverhÀltnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. GrundzĂŒge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der MĂ€nnlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges ĂŒber die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der IndividualitÀt 261
  13. Nachwort 299
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