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Zur Kritik der Weiblichkeit
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seine ersten vollkommenen Repräsentanten gefunden. Nicht die Männer, die Frauen waren die Träger der kirchlichen Kultur in der weltlichen Lebensführung. Allein wie hoch man auch die kulturelle Bedeutung der mittelalterlichen Frau anschlagen mag: es scheint, daß dem Manne ein eben so großer Teil an jener außerordentlichen Wandlung zuerkannt werden muß. Ganz deutlich verrät die Dame ihre Herkunft aus der erotischen Phantasie des Mannes. Seinem Wesen nach besteht das ritterliche Empfinden gegenüber dem Weibe in einer Differenzierung der Männlichkeit selbst, das heißt, in einer Abänderung der das erotische Triebleben begleitendenVorstellungen. Denn im letzten Grunde ist doch auch für die soziale Stellung desweib- lichen Geschlechtes das sexuelle Moment bestimmend. Ein Blick auf die historische Entwicklung der eroti- schen Beziehungen wird das am besten verdeutlichen. Es ist bekannt genug, daß die Liebe bei den Völ- kern der alten Kultur hauptsächlich auf Individuen des gleichen Geschlechtes gerichtet war. Über die griechischen Frauen herrschte der männliche Ge- schlechtstrieb in seiner härtesten und despotischsten Form und bestimmte aus seinen Bedürfnissen heraus die Bedingungen ihres Lebens. Die Hellenen und auch die Römer der älteren Zeit stehen in ihrem psycho- sexuellen Charakter den orientalischen und barbari- schen Völkerschaften ganz nah; ihre erotischen Be- ziehungen vollziehen sich unter den Vorstellungen unbedingter Herrschaft des Mannes über Körper und Seele des Weibes. Das Weib als bloßes Geschlechts- wesen, als Besitzgegenstand, eingeschlossen in die vier Wände des Hauses, aber nicht einmal dessen Verwalterin, Gebärerin der Kinder, aber nicht einmal deren Erzieherin— das ist die Form, welche die griechische Erotik dem legitimen Leben zwischen 143
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. Grundzüge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der Männlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges über die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der Individualität 261
  13. Nachwort 299
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