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Zur Kritik der Weiblichkeit
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sogar ein Hauch religiöser Inbrunst, ausgehend von der Verehrung der Himmelskönigin, „der höchsten Dame, der reizenden Heiligen Jungfrau, die der eigent- liche Gott des Mittelalters war" (Taine), fehlt in diesem Kultus des Weibes nicht. Die Liebe erhebt die neue Generation in Zustände schwärmerischer Trunkenheit. Dante, der sagte: „Ich lausche, wenn in mir die Liebe spricht; was sie mir eingibt, schreib' ich nieder", macht aus der Geliebten die Führerin in die höchsten Sphären der Geistigkeit, indem er ihre Gestalt in den mystischen Königsmantel der Alle- gorie hüllt und an ihren Namen die letzten Geheim- nisse des Himmelreiches knüpft. Die ritterliche Vorstellung vom Weibe ist zurGrund- lage des höheren europäischen Gesellschaftslebens geworden, dessen Mittelpunkt die Dame bildet. Auch nachdem die Blütezeit des höfischen Lebensideales und zugleich die glänzende Mode des Frauendienstes längst vorüber war, verlor die Dame nicht mehr ganz das Prestige des höheren Wesens. Doch was zuerst der Ausdruck einer enthusiastischen Überzeugung war, nimmt allmählich die Gestalt einer bloßen Kon- vention an. Die Ritterlichkeit sinkt zur Galanterie herab. Währendder geschmeidige, rastlose,wandlungsfähige Genius des männlichen Geschlechtes mit fortschreiten- der Zivilisation sich aller Mittel geistiger Kultur be- mächtigt, bleibt die Dame in dem Reich der Galanterie zurück und löst sich aus dem lebendigen Prozeß der Entwicklung los. Zwar bietet sich auch in der späteren Verflachung für ihre Herrschaft noch Spielraum genug; und die Kulturgeschichte des siebzehnten und acht- zehnten Jahrhunderts, insbesondere die Frankreichs, wird in wesentlichen Zügen durch den Einfluß derDame bestimmt. Aber das Künstliche und Hohle, das sich 10* 147
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. Grundzüge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der Männlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges über die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der Individualität 261
  13. Nachwort 299
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