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Vorerst das „Zentrale" des Weibes, „die heiße Quelle
... die des Weibes ein und alles, sein Mittelpunkt,
sein Genie und sein Inhalt ist — die durchseelte,
verinnerlichte Geschlechtlichkeit". Deshalb ist es
auch nicht der Mann, „für den die Wahl die wich-
tigste Angelegenheit ist, sondern das Weib". Und
diese Wahl mit feinfühliger Unfehlbarkeit zu treffen,
„nachtwandlerisch sicher den einen organisch-sym-
pathischen Geliebten unter tausend gleichgültigen oder
abstoßenden Menschen herauszufühlen", wird als
Ausdruck der intakten, hochkultivierten Weibnatur
gerühmt.
Aber mit Staunen hören wir alsbald: „es kommt
für das Weib in erster Linie nicht so sehr darauf
an, wen es liebt, sondern daß es liebt." Ja wir
erfahren, daß der Mann, je braver, wärmer, besser
er ist, desto pathetischer die große Liebe ver-
langt, bei der man vollen Ernst bezeugt— und das
Weib „macht sich doch nur was aus der kleinen
Liebe, bei der man spielt!"
Die merkwürdigste Bewandtnis scheint es aber mit
der berühmten „Wildheit" des Weibes zu haben.
Diese Wildheit ist es angeblich, durch die das Weib
enger mit der Natur zusammenhängt als der Mann,
und die daher um jeden Preis erhalten bleiben muß.
„Das beste und schlechteste Weibmaterial ist nicht
ziehbar und erziehbar, kultivierbar und zivilisierbar
wie der Mann— das ist nur das weibliche Mittel-
gut— es ist Unregierlichkeit, Respektlosigkeit, In-
stinkt, nichts als weiblicher Instinkt."
An anderer Stelle aber spricht Laura Marholm doch
von der „unbegrenzbaren Akkommodationsfähigkeit"
und „schrankenlosen Suggestibilität" des Weibes; sie
sagt: „Überall, wo das Weib eine Leitung findet, also
ein Vertrauen empfindet, ist es folgsam. Nicht nur
11 Mayreder, Kritik der Weiblichkeit
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299