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Zur Kritik der Weiblichkeit
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heranwachsende Sohn kaum. Nicht ihm gilt all die Zurückhaltung in konfessionellen, politischen, ero- tischen Dingen; nicht für ihn ist die romantische Handlung, der angenehme Ausgang, die ganze senti- mentale Schönfärberei erfunden und zubereitet. Wozu auch?-Da er doch an der Schule frühestens Gelegen- heit hat, alle Unebenheiten der wirklichen Zustände in Theorie und Praxis kennen zu lernen. Man braucht bloß einen Band eines beliebigen Familienjournals zu durchblättern, um zu sehen, wer hier die Hauptrolle spielt. Niemals findet man den achtzehnjährigen Jüng- ling als Helden und Mittelpunkt; seine Leiden und Freuden existieren nicht für die Familienliteratur, und wenn er einmal auftritt, gibt er höchstens eine Art komischer Figur ab. Nein, hinter dem Familien- popanz, der da so despotisch regiert, steht niemand anderes als das junge Mädchen. Das junge Mädchen ist es, um dessen geistige Unberührtheit an dem Familientisch ewig gezittert wird; und für die acht- zehnjährige Mädchenintelligenz muß alles zugeschnit- ten sein, was auf den Familientisch kommt. Für die achtzehnjährige — denn mit diesem Alter wird ja die intellektuelle Ausbildung bei den wohlerzogenen Mädchen der bürgerlichen Gesellschaft als abge- schlossen betrachtet. Das nächste Jahrzehnt, das für den jungen Mann einen so ungeheuren Schritt zur Reife, zur Selb- ständigkeit des Denkens und Urteilens bedeutet, bleibt für das Mädchen, sofern es nicht während dieser Zeit heiratet, fast gänzlich unfruchtbar. Mit dem Augen- blick, als das junge Mädchen in die Gesellschaft ein- geführt wird, gilt es als erwachsen, als fertig; das Mädchen von achtundzwanzig Jahren hat vor dem Mädchen von achtzehn offiziell nicht das Geringste voraus. Im Gegenteil: das Streben der älteren Mäd- 191
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. GrundzĂĽge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der Männlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges ĂĽber die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der Individualität 261
  13. Nachwort 299
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