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denken. Nur soweit das Weib sich als Mittel eignet,
kennen sie es; als Persönlichkeit mit eigenen Zwecken,
so wie sie sich selbst vorstellen, existiert es fĂĽr sie
nicht.
Man kann daher behaupten: die Stellung des weib-
lichen Geschlechtes in der sozialen Ordnung wird
durch die Erotik des herrischen Mannes geschaffen.
Unzweideutig verraten die allgemeinen Bestimmungen
und Vorstellungen, denen das weibliche Geschlecht
untersteht, welche Art Mann es ist, die damit ihren
BedĂĽrfnissen und Forderungen praktischen Ausdruck
verliehen hat. Denn nicht die Vernunft herrscht zwi-
schen den Geschlechtern,sondern die elementare Natur.
Unabhängig von der geistigen und sittlichen Qualität
tritt die herrische Erotik bei ganz niedrigen wie bei
sehr hochstehenden Männern auf— vielleicht nur in
ihren Formen ein wenig verschieden. Ihren absoluten
Ausdruck hat sie innerhalb der europäischen Kultur
schon verloren; auch der herrischste Europäer kann
sich in Hinsicht seiner Empfindungen gegenĂĽber dem
Weibe mit dem Asiaten nicht messen. Die orienta-
lische Behandlung des Weibes zeigt das Herrschafts-
bedürfnis der männlichen Sexualität in seinem vollen
Umfang; und scheuĂźliche Sitten, wie etwa das Ver-
nähen der Frauen bei den Völkerschaften am roten
Meere, enthĂĽllen den ganzen grausamen Wahnwitz,
zu dem es unter Umständen führt.
In Europa, in den gemäßigten Klimaten der Männ-
lichkeit, ist der primitivste Typus der herrischen Ero-
tik der Mann, der seine Frau prĂĽgelt. Das Uberlegen-
heitsbedürfnis des herrischen Mannes, das auf höheren
Stufen der Kultur in das geistige Gebiet ĂĽbergeht,
begnĂĽgt sich da noch mit handgreiflichen Beweisen;
die „starke Faust" gilt da nicht bloß im übertragenen
Sinn, und die primitive Weiblichkeit sträubt sich auch
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- GrundzĂĽge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges ĂĽber die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299