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Zur Kritik der Weiblichkeit
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nicht genug daran tun, der geliebten Frau zu ver- sichern, daß er völlig von ihr abhängt, daß er ganz wie sie ist, ganz wie sie empfindet, ganz ihre Stim- mung und ihr feinstes Weh teilt, ja daß selbst seine Kunst nur soweit seinem Herzen nahe steht, als sie die Begleiterin seiner tiefen Harmonie mit ihr ist: „Mein wahrer Ernst ist nicht dabei . . . o glaube! glaube mir, daß nur du mein Ernst bist . . . Alles hat nur Sinn und Bedeutung durch dich . . . Mit dir kann ich alles, ohne dich nichts!" Wie sehr unterscheidet sich diese Sprache von jener, welche die herrische Erotik anzuschlagen pflegt! Wer sie durch eine erstaunliche Übereinstimmung beglaubigt sehen will, wird sie in Goethes Briefen an Frau von Stein finden. Dasselbe freudige Bekenntnis der Ab- hängigkeit, dasselbe Gefühl der Ergänzung durch Gegenseitigkeit, dieselbe rückhaltslose Hingegebenheit an das Ich des geliebten Weibes: „Ja liebe Lotte, jetzt wird es mir erst deutlich, wie Du meine eigene Hälfte bist und bleibst. Ich bin kein einzelnes, kein selbständiges Wesen. Alle meine Schwächen habe ich an Dich angelehnt, meine weichen Seiten durch Dich beschützt, meine Lücken durch Dich ausgefüllt . . . Ich sehe, wie wenig ich für mich bestehe und wie notwendig mir Dein Dasein bleibt, daß aus dem mei- nigen ein Ganzes werde . . . Ich bitte Dich fuß- fällig, vollende Dein Werk, mache mich recht gut . . . schaffe und bilde mich auch so, daß ich Deiner wert bleibe." Die Vorstellung, daß der Mann der schaffende und bildende ist, nach dessen Willen und Ideen sich das Weib formen, dem es sein ganzes geistiges Sein ver- danken soll — eine Vorstellung, die sich beispiels- weise in den Brisfen Heinrich von Kleists an seine Braut so unumwunden vordrängt— wird hier durch 231
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. Grundzüge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der Männlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges über die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der Individualität 261
  13. Nachwort 299
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