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und am ganzen Leibe, überall und immer, von was es
auch sei, ausnahmslos koitiert" (Weininger) streifen
ganz nahe an die Vorstellung des Hexenhammers von
der „unersättlichen Wollust des Weibes", und deuten
auf einen bestimmten psychosexuellen Zustand als
gemeinsame, durch die Jahrhunderte unveränderte
Quelle.
Diese Quelle hat ihre Ebbe und Flut in der sozialen
Geschichte; sie fällt in den Zeiten der Blüte, wenn
die genialen Individuen zahlreich sind und die Kultur
mit dem Reichtum ihres Empfindungslebens erfüllen;
sie steigt in den Zeiten des Niederganges, wenn die
niedrigen Tendenzen der menschlichen Natur unge-
hemmt die Herrschaft führen und Schädlichkeiten
aller Art das Instinktleben gefährden. So hoch das
Weib während der Renaissance und ihren vorberei-
tenden Epochen in der Schätzung des Mannes ge-
standen hat, so tief sinkt es zur Zeit des dreißig-
jährigen Krieges, in welcher die Vorstellungen des
Hexenhammers Gemeingut werden, Vorstellungen, die
an der zeitgenössischen Gesellschaft dieses Buches
wirkungslos vorübergegangen waren.
Kehren wir schließlich zum Ausgangspunkte dieser
Betrachtung und zu ihrer Nutzanwendung zurück. Wir
resümieren: ein Mann kann im Verkehr mit Män-
nern so vorurteilslos, so gerecht, so objektiv sein
als möglich— wenn die psychosexuelle Seite seiner
Persönlichkeit hart, grobschlächtig und herrisch ist,
wird er über „das Weib" weder vorurteilslos noch
gerecht denken. Wie hoch er sich auch als Denker
erhebe, hier findet er seine Grenze.
Ach, aber die Frauen haben keine Ursache, über
diese Beschränktheit des männlichen Intellektes zu
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299