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Zur Kritik der Weiblichkeit
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Aufgaben durchmißt, findet sich der gleiche Gedanke in seinem VerhĂ€ltnis zu Omphale, wenn auch in einer banalisierten Auslegung. Auch jene orgiastischen Feste der antiken Kultur gehören hierher, bei welchen MĂ€nner und Weiber ihre Kleider vertauschten— eine symbolische Handlung, deren esoterischer Sinn darauf hinweist, daß die Ge- schlechter einen höheren Zustand des Seins durch Tausch erlangen können. Um in das tiefste Myste- rium des Lebens einzudringen, muß der Mann etwas vom Weibe annehmen, er muß ĂŒber die profane An- schauung hinaus, die auf eine absolute und ungeteilte Entfaltung der MĂ€nnlichkeit gerichtet ist, den Willen zur Überwindung des Geschlechtes haben. Der barbarisch energische Ausdruck fĂŒr diesen Willen ist die VerstĂŒmmelung, der sich die Cybele- priester unterzogen; um alles MĂ€nnliche vollends ab- zustreifen, mußten sie sich ĂŒberdies den Bart scheren und Weiberkleider tragen. Eine letzte Spur der For- derung, daß der höhere Mensch selbst in seiner Er- scheinung keine Geschlechtsmerkmale an sich haben soll, lĂ€ĂŸt sich noch in der katholischen Sitte erkennen, die dem Priester eine der weiblichen verwandte Klei- dung— den bis an die Sohlen reichenden Talar— und ein bartloses Gesicht vorschreibt. Und wenn der Apostel Paulus von solchen spricht, die sich „um des Himmelreiches willen verstĂŒmmeln", so ist die Anspielung auf jene Riten und ihre Nutzanwendung im Sinne der neuen Lehre unverkennbar. Was in der antiken Welt hinter den Geheimnissen einzelner Kulte verborgen lag, trat im Christentum als neues Lebensideal Allen zugĂ€nglich ans Licht. Und niemals ist die Verleugnung und UnterdrĂŒckung des Geschlechtlichen stĂ€rker, umfassender, ĂŒberzeu- gender gepredigt worden als durch dieses neue Le- 269
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, MachtverhÀltnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. GrundzĂŒge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der MĂ€nnlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges ĂŒber die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der IndividualitÀt 261
  13. Nachwort 299
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