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weibliche Züge in der männlichen Psyche erweckte, so
stellte die Renaissance, in der so viele antike Elemente
wieder aufleben, einen männlichen Typus als den
vorbildlichen auch für das Weib hin. Die Annäherung
an die geistigen Vorzüge der Männlichkeit galt als
eine Auszeichnung des Weibes: „Die Frau von Stande
muĂźte damals ganz wie der Mann nach einer abge-
schlossenen, in jeder Hinsicht vollendeten Persön-
lichkeit streben. Derselbe Hergang in Geist und Herz,
der den Mann vollkommen machte, sollte auch das
Weib vollkommen machen . . . Man braucht nur die
völlig männliche Haltung der meisten Weiber in den
Heldengedichten, zumal bei Bojardo und Ariosto, zu
beachten, um zu wissen, daĂź es sich hier um ein
bestimmtes Ideal handelt." (Burckhardt, Kultur der
Renaissance.) Und es wird als das edelste BĂĽndnis
zwischen Mann und Weib gefeiert, „wenn beider Herz
derselbe Geist durchglĂĽht, in beider Leib dieselbe
Seele blüht, um beiden aufwärts gleichen Schwung zu
leihen, . . . und eins zum Herrn das andere sich erkor".
Diese Worte stammen von dem prophetisch hohen
Geist, der jenen Jesus-Apollo geschaffen hat, den
Gott einer neuen Weltordnung, welcher in seiner
ĂĽbermenschlichen Erscheinung eine Synthese zweier
großer Kulturepochen bildet. Aber nicht „zur rechten
Hand Gottes", wie es die christliche Tradition will,
hat Michelangelo seinen Messias dargestellt, um ihn
mit unsterblicher Richtergebärde unter den Menschen
wählen und verwerfen zu lassen — an seiner Seite
erscheint das Weib, in wissender Gnade ĂĽber Er-
wählte und Verworfene sich neigend.
Wie das christliche Ideal ist auch das Renaissance-
ideal nur in den Höhen der Menschlichkeit, von be-
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- GrundzĂĽge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges ĂĽber die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299