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sonderen Einzelnen, verwirklicht worden. Wer jedoch
die Spuren dieses Ideals in den literarischen Doku-
menten verfolgt, wird sehen, daß es nicht verloren
gegangen ist.
Auffallend tritt es in jener Blütezeit des geistigen
Lebens an der Wende des 18. bis zur Mitte des
19. Jahrhunderts wieder hervor. Unter den Aus-
sprüchen Goethes gibt es zahlreiche, denen die Idee
der Gemeinsamkeit zugrunde liegt. Man braucht nur
an das zu erinnern, was er über das Weib im allge-
meinen sagt: daß es gewinne, wenn es etwas vom
Mann annehme; „denn wenn es seine übrigen Vor-
züge durch Energie erheben kann, so entsteht ein
Wesen, das sich nicht vollkommener denken läßt",
oder an die Worte, die er „an Julien" richtet: „Se-
ligen Erfolg zu schauen , einigest zu Manneskräften
Liebenswürdiges der Frauen", und nicht zuletzt an
jenes esoterisch-vieldeutige und daher so wenig ver-
standene: »Das Ewig-weibliche zieht uns hinan."
Ja in der Konzeption der Mignon, über die Goethe
— in den Gesprächen mit dem Kanzler von Müller
— selbst sagt, daß der ganze Roman dieses Charak-
ters wegen geschrieben sei, und daß hinter den vor-
geschobenen Personen durchaus etwas Allgemeines,
Höheres verborgen liege, ist die künstlerische Ab-
sicht unverkennbar, ein Wesen darzustellen, dessen
Seele das Geschlecht nicht erträgt. Der hohe poe-
tische Zauber, der diese Gestalt umgibt, gehört halb
dem Kinde, dem ungeschlechtlichen Wesen der Rea-
lität, und halb dem Engel, dem ungeschlechtlichen
Wesen der Imagination: „So laßt mich scheinen, bis
icli verde . . . und jene himmlischen Gestalten, sie
fragen nicht nach Mann und Weib."
Der Mignon verwandt, aber mit der noch deut-
licher hervortretenden Absicht, an einer das gewöhn-
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299