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Zur Kritik der Weiblichkeit
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liehe Maß der Sterblichen überragenden Person die mystische Vereinigung des Männlichen und Weiblichen zu zeigen, erscheint Balzacs Seraphita— ein Wesen von höchster geistiger Abkunft, das für die Augen des liebenden Mädchens ein vollendeter Mann, für die Augen des liebenden Mannes ein vollendetes Weib ist. Eine besondere persönliche Bedeutung erhält diese Erfindung dadurch, daß Balzac, wie er in der Widmung hervorhebt, auf Wunsch der von ihm ge- liebten Frau diese Gestalt— „par vous r€vee, comme eile le fut par moi des l'enfance" — geschaffen hat. Die Menschen dieser Epoche haben über den Ge- schlechtsgegensatz freier und tiefer gedacht, als die Menschen der Gegenwart. Chateaubriand legt in seinen Memoiren das bei Männern höchst seltene Bekenntnis ab, daß er, hätte er sich selbst erschaffen können, aus Vorliebe für die Frauen sich zum Weib gemacht hätte; und Gentz hat in einem Briefe an Rahel Varnhagen unumwunden geschrieben: „Wissen Sie, Liebe, warum unser Verhältnis so groß und so vollkommen geworden ist? Ich will es Ihnen sagen: Sie sind ein unendlich produzierendes, ich bin ein unendlich empfangendesWesen— Sie sind ein großer Mann, ich bin das erste aller Weiber, die je gelebt haben." Wie ein Kommentar zu jener berühmten Schluß- stelle im Faust klingt, was Daumer in seiner „Religion des neuen Weltalters" sagt: „Hingebung des Mensch- lichen an das Natürliche, des Männlichen an das Weib- liche ist . . . die höchste, ja einzige Tugend und Frömmigkeit, die es gibt." Ähnliche Gedanken äußert Schleiermacher in seinen „Vertrauten Briefen" über Schlegels Lucinde, wenn er davon spricht, daß nun „die wahre himmlische Venus entdeckt ist . . . Eins mit dem tiefsten und heiligsten Gefühl, mit der Ver- ls Mayreder, Kritik der Weibliciilteit 273
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. GrundzĂĽge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der Männlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges ĂĽber die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der Individualität 261
  13. Nachwort 299
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