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Zur Kritik der Weiblichkeit
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Das Hinaussein über das Geschlecht hat während des größten Teiles der menschlichen Geistesgeschichte als unerläßlich zur Erreichung eines höheren Daseins- zustandes gegolten: in dem priesterlichen Lebensideal schon der antiken Kultur, in der indischen Yogalehre, in dem Ideenkreis, aus dem die Gralsritterschaft ihren Ursprung genommen hat; und besonders ist es das Christentum und der Buddhismus, die von dem Ge- danken des iliastrischen, des ungeschlechtlichen Men- schentumes als der Vorstufe des Himmelreiches oder des Nirvana ausgehen— jener Welt, die im Gegen- satze zu der Welt der Zeugung, in der die zentri- fugale Kraft der Bewegung als ein ewiger Kampf wütet, eine Welt des Friedens, der in sich ruhenden Vollendung sein soll. Welche Bedeutung man diesem äußersten Ausdruck der zentripetalen Tendenz beilegen will, hängt in letzter Linie von religiösen Gefühlen oder zum min- desten von der Weltanschauung ab, zu der man sich bekennt. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Sehn- sucht nach einer anderen, vollendeteren Lebensform, alsesdie an die Geschlechtlichkeitgebundene sein kann, die Sehnsucht nach der allumfassenden Einheit, nach dem Insichruhenden, bloß das Symptom einer Willens- erkrankung ist, oder die Offenbarung eines höheren, über die vulgäre Empfindungswelt hinausführenden Prinzips. Wo aber diese Sehnsucht in Gestalt einer lebensfeindlichen Askese auftritt, einer Verneinung des Lebens, deren erstes Gebot die „Ertötung des Fleisches", und vornehmlich des Geschlechtes ist, muß sie einer Weltanschauung verwerflich erscheinen, die den Sinn des Lebens in das Diesseits verlegt und die Spekulation über die Möglichkeit einer jen- seitigen Welt ausschließt. Denn alles, was seine Wurzeln nur in Bedingungen hat, die mit dem dies- 284
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. Grundzüge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der Männlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges über die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der Individualität 261
  13. Nachwort 299
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