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Zur Kritik der Weiblichkeit
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tution, durch welchen das Gehirn wie ein zweiter, relativ selbstĂ€ndiger Organismus in den Ă€ußeren Leib eingesetzt ist. Der seltsame Wahn, daß der Körper von einem höheren Wesen, einer unsterblichen und geschlechtslosen Seele, bewohnt sei, spiegelt als Be- wußtseinsphĂ€nomen vielleicht einen physischen Pro- zeß, so wie sich im Traumleben, oft deutlich erkenn- bar, die jeweiligen ZustĂ€nde des Organismus sym- bolisieren und phantastisch umgebildet ins Bewußtsein treten. VerhĂ€lt es sich nicht Ă€hnlich mit der Illusion des freien Willens, die so unvereinbar ist mit den Resultaten der Verstandeserkenntnis, und die dennoch bei vielen Individuen, besonders aber bei jenen, die ihre Geschlechtsimpulse in die Gewalt ihrer Willens- kraft gebracht haben, die unbesiegbare Macht einer inneren Gewißheit besitzt—? Offenbart nicht die ganze Geschichte der menschlichen Sittlichkeit, in der die Überwindung und Beherrschung der Geschlecht- lichkeit einen so hervorragenden Platz einnimmt, im Grunde nichts anderes als diesen Kampf des Gehirnes um seine UnabhĂ€ngigkeit? Aber ohne metaphorische Umschreibung: die Ent- wicklung einzelner Bewußtseinsherde zur Herrschaft ĂŒber die andern, die Rangordnung unter ihnen, welche eine Unterwerfung der niedrigeren unter die Leitung der höheren bedeutet, ist eine Voraussetzung aller geistigen Kultur. Und sie reprĂ€sentiert eine unver- gleichlich wertvolle Errungenschaft auch dort, wo sie zur Quelle innerer Konflikte und WidersprĂŒche wird, die den Menschen der Geistigkeit mit seiner primi- tiven Natur entzweien. Nicht in der Verwerflichkeit und SĂŒndhaftigkeit der SexualitĂ€t, wie jene glaubten, die sich von ihrer Herr- schaft zu befreien strebten, ist der tiefere Grund des Kampfes wider das Geschlecht zu suchen; der retro- 294
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Zur Kritik der Weiblichkeit
Title
Zur Kritik der Weiblichkeit
Author
Rosa Mayreder
Publisher
Eugen Diederichs Verlag
Location
Jena
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
10.5 x 16.5 cm
Pages
316
Keywords
Feminismus, Soziologie, MachtverhÀltnisse, Geschlechterkampf, Frauen
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorwort 1
  2. GrundzĂŒge 7
  3. Mutterschaft und Kultur 48
  4. Die Tyrannei der Norm 85
  5. Von der MĂ€nnlichkeit 102
  6. Das Weib als Dame 139
  7. Frauen und Frauentypen 157
  8. Familienliteratur 187
  9. Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
  10. Einiges ĂŒber die starke Faust 210
  11. Das subjektive Geschlechtsidol 244
  12. Perspektiven der IndividualitÀt 261
  13. Nachwort 299
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