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Schlussanmerkung
Der spekulative Gebrauch der Vernunft in Ansehung der Natur führt auf
absolute Notwendigkeit irgend einer obersten Ursache der Welt; der
praktische Gebrauch der Vernunft in Absicht auf die Freiheit führt auch auf
absolute Notwendigkeit, aber nur der Gesetze der Handlung en eines
vernünftigen Wesens als eines solchen. Nun ist es ein wesentliches Prinzip
alles Gebrauchs unserer Vernunft, ihr Erkenntnis bis zum Bewusstsein ihrer
Notwendigkeit zu treiben (denn ohne diese wäre sie nicht Erkenntnis der
Vernunft). Es ist aber auch eine eben so wesentliche Einschränkung eben
derselben Vernunft, dass sie weder die Notwendigkeit dessen, was da ist, oder
was geschieht, noch dessen, was geschehen soll, einsehen kann, wenn nicht
eine Bedingung, unter der es da ist oder geschieht oder geschehen soll, zum
Grunde gelegt wird. Auf diese Weise aber wird durch die beständige
Nachfrage nach der Bedingung die Befriedigung der Vernunft nur immer
weiter aufgeschoben. Daher sucht sie rastlos das Unbedingt-Notwendige und
sieht sich genötigt, es anzunehmen, ohne irgend ein Mittel, es sich begreiflich
zu machen; glücklich genug, wenn sie nur den Begriff ausfindig machen
kann, der sich mit dieser Voraussetzung verträgt. Es ist also kein Tadel für
unsere Deduktion des obersten Prinzips der Moralität, sondern ein Vorwurf,
den man der menschlichen Vernunft überhaupt machen müsste, dass sie ein
unbedingtes praktisches Gesetz (dergleichen der kategorische Imperativ sein
muss) seiner absoluten Notwendigkeit nach nicht begreiflich machen kann;
denn dass sie dieses nicht durch eine Bedingung, nämlich vermittelst irgend
eines zum Grunde gelegten Interesse, tun will, kann ihr nicht verdacht
werden, weil es alsdann kein moralisches, d. i. oberstes Gesetz der Freiheit
sein würde. Und so begreifen wir zwar nicht die praktische unbedingte
Notwendigkeit des moralischen Imperativs, wir begreifen aber doch seine
Unbegreiflichkeit, welches alles ist, was billigermaßen von einer Philosophie,
die bis zur Grenze der menschlichen Vernunft in Prinzipien strebt, gefordert
werden kann.
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Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Title
- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Author
- Immanuel Kant
- Date
- 1785
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 70
- Keywords
- Philosophie, Vernunft, Aufklärung, Ethik, Kritik
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorrede 4
- Erster Abschnitt 9
- Zweiter Abschnitt 20
- Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten 20
- Die Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit 48
- Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unechten Prinzipien der Sittlichkeit 49
- Einteilung aller möglichen Prinzipien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie 50
- Dritter Abschnitt 54
- Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft. Der Begriff der Freiheit ist der Schlüssel zur Erklärung der Autonomie des Willens 54
- Freiheit muss als Eigenschaft des Willens aller vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden 56
- Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit anhängt 57
- Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? 61
- Von der äußersten Grenze aller praktischen Philosophie 63
- Schlussanmerkung 70