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Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
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Von der Ă€ußersten Grenze aller praktischen Philosophie Alle Menschen denken sich dem Willen nach als frei. Daher kommen alle Urteile ĂŒber Handlungen als solche, die hĂ€tten geschehen sollen, ob sie gleich nicht geschehen sind. Gleichwohl ist diese Freiheit kein Erfahrungsbegriff und kann es auch nicht sein, weil er immer bleibt, obgleich die Erfahrung das Gegenteil von denjenigen Forderungen zeigt, die unter Voraussetzung derselben als notwendig vorgestellt werden. Auf der anderen Seite ist es eben so notwendig, dass alles, was geschieht, nach Naturgesetzen unausbleiblich bestimmt sei, und diese Naturnotwendigkeit ist auch kein Erfahrungsbegriff, eben darum weil er den Begriff der Notwendigkeit, mithin einer Erkenntnis a priori bei sich fĂŒhrt. Aber dieser Begriff von einer Natur wird durch Erfahrung bestĂ€tigt und muss selbst unvermeidlich vorausgesetzt werden, wenn Erfahrung, d. i. nach allgemeinen Gesetzen zusammenhĂ€ngende Erkenntnis der GegenstĂ€nde der Sinne, möglich sein soll. Daher ist Freiheit nur eine Idee der Vernunft, deren objektive RealitĂ€t an sich zweifelhaft ist, Natur aber ein Verstandesbegriff, der seine RealitĂ€t an Beispielen der Erfahrung beweiset und notwendig beweisen muss. Ob nun gleich hieraus eine Dialektik der Vernunft entspringt, da in Ansehung des Willens die ihm beigelegte Freiheit mit der Naturnotwendigkeit im Widerspruch zu stehen scheint, und bei dieser Wegescheidung die Vernunft in spekulativer Absicht den Weg der Naturnotwendigkeit viel gebahnter und brauchbarer findet, als den der Freiheit: so ist doch in praktischer Absicht der Fußsteig der Freiheit der einzige, auf welchem es möglich ist, von seiner Vernunft bei unserem Tun und Lassen Gebrauch zu machen; daher wird es der subtilsten Philosophie eben so unmöglich, wie der gemeinsten Menschenvernunft, die Freiheit wegzuvernĂŒnfteln. Diese muss also wohl voraussetzen: dass kein wahrer Widerspruch zwischen Freiheit und Naturnotwendigkeit ebenderselben menschlichen Handlungen angetroffen werde, denn sie kann eben so wenig den Begriff der Natur, als den der Freiheit aufgeben. Indessen muss dieser Scheinwiderspruch wenigstens auf ĂŒberzeugende Art vertilgt werden, wenn man gleich, wie Freiheit möglich sei, niemals begreifen könnte. Denn wenn sogar der Gedanke von der Freiheit sich selbst, oder der Natur, die eben so notwendig ist, widerspricht, so mĂŒsste sie gegen die Naturnotwendigkeit durchaus aufgegeben werden. Es ist aber unmöglich, diesem Widerspruch zu entgehen, wenn das Subjekt, was sich frei dĂŒnkt, sich selbst in demselben Sinne, oder in eben demselben VerhĂ€ltnisse dĂ€chte, wenn es sich frei nennt, als wenn es sich in Absicht auf 63
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Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
Title
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
Author
Immanuel Kant
Date
1785
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
70
Keywords
Philosophie, Vernunft, AufklÀrung, Ethik, Kritik
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorrede 4
  2. Erster Abschnitt 9
    1. Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis zur philosophischen 9
  3. Zweiter Abschnitt 20
    1. Übergang von der populĂ€ren sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten 20
    2. Die Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit 48
    3. Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unechten Prinzipien der Sittlichkeit 49
    4. Einteilung aller möglichen Prinzipien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie 50
  4. Dritter Abschnitt 54
    1. Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft. Der Begriff der Freiheit ist der SchlĂŒssel zur ErklĂ€rung der Autonomie des Willens 54
    2. Freiheit muss als Eigenschaft des Willens aller vernĂŒnftigen Wesen vorausgesetzt werden 56
    3. Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit anhÀngt 57
    4. Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? 61
    5. Von der Ă€ußersten Grenze aller praktischen Philosophie 63
  5. Schlussanmerkung 70
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