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DAS ZEREMONIELL, DER WIENER HOF UND DAS ENDE DES ALTEN REICHES 9
sung“9 betreffen. Dazu gehören beispielsweise die Königswahl, Krönungen,
Huldigungen, Landesfeierlichkeiten und das Gesandtschaftswesen.10
Das Ziel des Zeremoniells ist letztlich in beiden Fällen dasselbe: Es diene,
so Ivan Ritter von Žolger kurz vor dem Zusammenbruch der Habsburgermo-
narchie, „der Verherrlichung und Ehrung der Würde und erhabenen Stel-
lung des Fürsten und seines Hauses. [Es ist] dazu bestimmt, die Heiligkeit
und Majestät der fürstlichen Person zu wahren und zu sichern, die Ehre
und Machtstellung des Herrschers zu dokumentieren und die Ehrfurcht und
Huldigung zu bekunden, die dem Monarchen und den Mitgliedern seines
Hauses geschuldet wird.“11 Ermangle der Herrscher hingegen eines wohl or-
ganisierten Hofstaats, löse das die soziale Ordnung auf, wie Zedler in seinem
Universal-Lexicon 1739 ausführt. Er berichtet von zahlreichen Beispielen,
„da der Fürst, wenn er alleine unter seinen Unterthanen herumgegangen,
wenig und gar kein Ansehen gehabt, da man ihm hingegen gantz anders
begegnet, wenn er seinem Stande gemäß aufgezogen. Dieserhalben ist also
nöthig, dass der Fürst nicht nur Bediente habe, die dem Lande vorstehen,
sondern auch, die ihm zum äusserlichen Staate und eigener Bedienung
nöthig sind.“12
Die zeremonielle Ordnung bei Hof repräsentiert folglich Macht und
Würde des Herrschers und spiegelt den Rang der einzelnen Mitglieder der
Hofgesellschaft. Zentral dabei ist der Aspekt der Ordnung: Das Zeremoniell
ordnet die verschiedenen Tätigkeiten bei Hof sowie die Rechte und Pflich-
ten der dort wirkenden Personen. Die Handlungen der einzelnen Individuen
weisen „einen spezifischen, genau bestimmbaren Symbolwert“ auf, „der auf
den Rang der beteiligten Personen bezogen ist“.13 In dieser semiotischen In-
terpretation des Zeremoniells treffen der Monarch, die Spitzen der Regie-
rung, die Diplomaten, die Aristokratie, die Hofbediensteten und -beamten,
aber auch – anlässlich von besonderen Feierlichkeiten – die Bevölkerung
aufeinander und interagieren in einer genau choreographierten und formali-
sierten Art und Weise miteinander. Änderungen des zeremoniellen Ablaufs
implizieren daher auch eine Änderung in der gesellschaftlichen Ordnung. In
enger Verbindung mit dem Zeremoniell steht das bereits erwähnte Ritual,
das immer wiederkehrende und standardisierte symbolische Handlungen zu
bestimmten Anlässen bezeichnet. Hierzu zählen etwa Hochzeiten, Taufen
oder Krönungen, die einen performativen Charakter aufweisen und daher
9 Vgl. zu dieser strukturellen Trennung ebd., S. 10, S. 203–204.
10 Ebd.
11 Žolger, Hofstaat, S. 153.
12 zedler, Universal-Lexicon, Bd. 13, Sp. 405.
13 Pečar, Hofzeremoniell, S. 384–385.
Norm und Zeremoniell
Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Title
- Norm und Zeremoniell
- Subtitle
- Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Editor
- Karin Schneider
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20903-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. Einleitung 8
- 2. Editionsrichtlinien 25
- 3. Edition 27
- Anmerkungen 169
- 4. Glossar 171
- 5. Verzeichnis der Paragraphen 180
- 6. Abkürzungsverzeichnis 182
- 7. Bibliographie 184
- 7.1 Ungedruckte Quellen 184
- 7.2 Gedruckte Quellen 184
- 7.3 Nachschlagewerke 185
- 7.4 Literatur 186
- 8. Personenregister 194