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ETIQUETTE-NORMALE FÜR DEN ÖSTERREICHISCHEN KAISERHOF
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Bey St. Stephan übernimmt der Domdechant mit dem Kapitel die Einge-
weide und seegnet sie ein.
Der Leichnahm wird im öffentlichen Trauerzuge in die Kapuziner Hofkir-
che überführt. Vor der Abfahrt wird der Leichnahm von dem Hofburgpfarrer
unter Assistenz zweyer Hofkapläne eingeseegnet, bis zum Wagen begleitet,
dort incensiret und aspergiret.
Zur Einsegnung der allerhöchsten Personen wird ein Pontificant vom ersten
Range geladen, und haben die Bischöfe und Prälaten gegenwärtig zu seyn.
Die höchsten Personen werden durch hiesigen Weihbischof oder einen an-
dern hiezu geladenen Bischof unter Assistirung aller Hofkapläne eingeseg-
net.
Die unter 12 Jahre alten höchsten Herrschaften werden in der weissen
Stolle begraben und in der Hofkirche zu den Kapuzinern, im Beyseyn aller
Hofkapläne, von dem Hofceremoniarius eingesegnet. [334’]
7. Die Exequien und Vigilien sind Trauerandachten, die für die Verstorbenen
in der Hofburgkirche gefeiert werden.
Diese Trauerandachten sind entweder Aniversaria oder sie sind zufällige
Trauerandachten, welche vermöge der Hoftrauerordnung für die Verstorbe-
nen aus der allerhöchsten Familie Statt haben.
Zu den Aniversarien (welche nur für Regenten und Gemahlinnen derselben
angeordnet sind) erscheinen Se Majestät mit der allerhöchsten Familie und
mit dem Hofstaate in den Oratorien der Hofkapelle.
Den Aniversarien der verstorbenen Ordensritter wohnen die Ritter des Or-
dens bey.
Bey den zufälligen Trauerandachten wird nach Maaßgabe der Hoftrauerord-
nung in der Hofburgkirche ein Trauergerüste errichtet.
Diese Trauerandachten werden nach dem katolischen Ritus abgehalten.
8. Dankfeste überhaupt sind kirchliche Zeremonien, durch welche ein glück-
liches Ereigniß gefeyert wird.
An solchen Feierlichkeiten nehmen alle Behörden und Klassen der Unter-
thanen [335] Theil, und [die Dankfeste] werden vermöge hergebrachter Sitte
in der St. Stephans-Metropolitankirche gefeiert.
Se Majestät begeben sich im öffentlichen Staate dahin oder erscheinen in
Halbgalla (à la campagne). Allerhöchst Sie werden am Kircheneingange von
dem versammelten Hofstaate empfangen und zum Oratorio begleitet, wo Sie
dem Dankfeste beywohnen und darnach in die Hofburg zurückkehren.
In der Kirche sind Bethstüle für den Hofstaat zubereitet, welcher sich in sel-
ben nach seinem Range placirt.
9. Die Kirchenbesuche sind in den heutigen Zeiten nur in der Karwoche üb-
lich; I.I. M.M. fahren in der Stille (in cognito) in einige Pfarrkirchen und
verrichten dort die Andacht.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN
Norm und Zeremoniell
Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Title
- Norm und Zeremoniell
- Subtitle
- Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Editor
- Karin Schneider
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20903-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- 1. Einleitung 8
- 2. Editionsrichtlinien 25
- 3. Edition 27
- Anmerkungen 169
- 4. Glossar 171
- 5. Verzeichnis der Paragraphen 180
- 6. Abkürzungsverzeichnis 182
- 7. Bibliographie 184
- 7.1 Ungedruckte Quellen 184
- 7.2 Gedruckte Quellen 184
- 7.3 Nachschlagewerke 185
- 7.4 Literatur 186
- 8. Personenregister 194