Page - 31 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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zum Ablauf einer angemessenen Nachfrist unter Abwägung der beidersei-
tigen Interessen nicht mehr zumutbar ist.52 Das Erfordernis einer RĂĽck-
trittserklärung in diesen Fällen schafft nach hier vertretener Auffassung
mehr Rechtssicherheit als der von der h.M. angenommene automatische
Übergang zu den Sekundärrechten nach §242 BGB.
Die Nachfristsetzung ist zudem gemäß §323 Abs.2 Nr.2 BGB bzw.
§376 HGB entbehrlich, wenn ein sogenanntes „relatives Fixgeschäft“ vor-
liegt, der Käufer im Vertrag also sein Leistungsinteresse an die Einhaltung
der vereinbarten Leistungszeit gebunden hat.53 Auch hierfĂĽr kommt es
nicht darauf an, ob die Überschreitung der Leistungszeit vom Verkäufer zu
vertreten ist.
Im praktischen Ergebnis wird dadurch der Vertrag während des Beste-
hens der pandemiebedingten Leistungshindernisse grundsätzlich beidsei-
tig suspendiert; nur wenn auf Seiten des Käufers eine besondere Dringlich-
keit gegeben ist, kann dieser ein RĂĽcktrittsrecht entweder nach Nachfrist-
setzung oder nach dem Gedanken des §323 Abs.2 Nr.3 BGB ausüben.
Diese Lösung erscheint beidseits interessengerecht, sodass im Regelfall
kein Bedarf nach einer Vertragsanpassung oder gar einem RĂĽcktrittsrecht
nach §313 BGB bestehen dürfte.
Störungen auf Seiten des Käufers
Denkbar ist schließlich auch, dass der Verkäufer zwar zur Lieferung in der
Lage ist, der Käufer die Waren allerdings pandemiebedingt nicht ab-
nimmt. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der bloße Umstand, dass der
Käufer infolge der Covid-19-Pandemie keinen Bedarf mehr für die gekauf-
ten Waren hat oder diese nicht mehr bezahlen kann, diesen nicht von sei-
ner Abnahmepflicht nach §433 Abs.2 BGB befreit. Beide Umstände fallen
in seinen Risikobereich und berĂĽhren weder die Wirksamkeit des Vertra-
ges noch die Durchsetzbarkeit der daraus folgenden Pflichten. Abhilfe
kann insoweit allenfalls ein Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß §313
V.
Zivilrecht (Fn.14), 01.03.2020, §323 Rn.202ff.; T. Riehm, Irrungen und Wirrun-
gen zur Fristsetzung und ihrer Entbehrlichkeit, NJW 2014, S.2065 (2068).
52 S. näher Riehm (Fn.20), §275 Rn.174ff.
53 Eingehend dazu R. Schwarze, „Steht und fällt“ – Das Rätsel der relativen Fix-
schuld, AcP 207 (2007), S.437ff. Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
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