Page - 50 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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restriktionen handeln, um nur wenige Beispiele zu nennen. Bevor aller-
dings eine eingehende Befassung mit konkretem Vertrags- und allgemei-
nem Schuldrecht erfolgt, sei ein Leitgedanke herausgestellt: Die vielgestal-
tigen Vermögensschäden, die auf solchen staatlichen Interventionen zum
Schutz der Bevölkerung beruhen, erscheinen überwiegend zufällig. Das
liegt nicht zuletzt daran, dass das bürgerliche Recht in den meisten Rege-
lungsbereichen von bestimmten Rahmenbedingungen ausgeht, wie dies
auch die Vertragsparteien bei Abschluss einer Vereinbarung tun. Nur we-
nige Vorschriften, wie die §§242, 275 Abs.2 und 3, §§313, 527, 528, 615,
616, 648a, 651h, 779, 812 Abs.1 S.2 2.Alt. BGB, §588 HGB nehmen au-
ßergewöhnliche, eher unvorhergesehene Umstände vorausgesetzter Rah-
menbedingungen in unterschiedlicher Form in sich auf. Daraus folgt, dass
in den meisten Konstellationen der Corona bedingte exogene Schock für
einzelne Vertragsverhältnisse und die gesamte Volkswirtschaft erstens will-
kürlich zuschlägt und zweitens niemandem in seinen Auswirkungen vor-
zuwerfen ist, solange nicht konkret vorwerfbarer fehlerhafter Umgang mit
der neuen Situation dargelegt werden kann. Plötzlich fehlt dem Gläubiger
des erworbenen Bahntickets jegliches Interesse, da er die Menschen am
Reiseziel nicht treffen darf. Der Schuldner bestimmter Waren vermag
nicht zu liefern, da seine Wirkungsstätte geschlossen ist oder seine Zuliefe-
rer ausfallen, wodurch er zwar im Zweifel von seiner Pflicht zur Leistung
frei wird, aber auch den Anspruch auf die Gegenleistung verliert. Gewer-
beraummietverträge verlieren wenigstens vorübergehend ihren Sinn uVm.
Antworten des bürgerlich-rechtlichen Vertragsrechts
Vorrang der individualvertraglichen Vereinbarung
Zentral ist zunächst, dass solche äußeren Umstandsänderungen, wie sie die
Corona-Pandemie mit sich bringt, nicht ohne Weiteres zur Änderung, Sus-
pendierung oder Aufhebung von einzelnen Pflichten oder Verträgen füh-
ren. Vielmehr gilt auch im vertragsbeeinflussenden Krisenfall das Verein-
barte. Eine gesetzliche Generalklausel, die bei massiven äußeren Verände-
rungen wirtschaftlicher Voraussetzungen ohne eingehende Abwägung al-
ler Umstände des jeweiligen konkreten Einzelfalls die Vertragsanpassung
oder Aufhebung vorsehen würde, wäre geeignet, Chaos hervorzurufen.
Lieferketten wären nicht verlässlich, Verbraucher müssten um Güter der
Daseinsvorsorge fürchten. Dies bedeutete zugleich, dass staatliche Inter-
ventionen im Hinblick auf Schutz und Stärkung der Volkswirtschaft er-
schwert würden, da die bekannten Geld-, Waren- und Dienstleitungsflüsse
III.
1.
Jens Prütting
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
- Transportrecht in der Corona-Krise 205
- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245