Page - 66 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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Lösungsansatz nach allgemeinem Unmöglichkeitsrecht
Verneint man einen Mietmangel, so muss mit Schall die Frage gestellt wer-
den, ob das Unmöglichkeitsrecht mit nachfolgendem Entfall der Gegen-
leistungspflicht eingreift, §§275 Abs.1, 326 Abs.1 S.1 BGB.74 Dies lässt
sich ebenfalls gut vertreten und führt wirtschaftlich zum selben Ergebnis.
Wer diese Zuordnung nach Risikosphären für privatrechtlich nicht kor-
rekt hält, muss nunmehr das allgemeine Unmöglichkeitsrecht hinter der
Feststellung unveränderter Mietzahlungspflicht als gesperrt argumentie-
ren. Das mag man freilich je nach Begründungslinie gegen das Vorliegen
eines Mietmangels tun, soll vorliegend aber nicht näher untersucht wer-
den.
Wegfall der Geschäftsgrundlage
Welchem Weg man in den obigen Diskussionen auch folgen mag, so dürf-
te nach hier vertretener Ansicht die sachgerechte Lösung gleichwohl im
Recht des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu suchen sein, wobei das obi-
ge Ergebnis keineswegs irrelevant ist, wie sogleich verdeutlicht werden
wird. Im Hinblick auf §313 BGB ist zunächst von Bedeutung, dass dieser
nicht durch die besonderen Vorschriften des Mietvertragsrechts gesperrt
sein dürfte.75 Zwar ist zuzugeben, dass das Regime des Mietvertragsrechts
für Mietmängel eine Risikoabgrenzung grundsätzlich vorsieht, jedoch
kann sich hieraus kein Spezialitätsargument ergeben, da dieses Moment
von §313 BGB spätestens im normativen Element der Zumutbarkeitsab-
wägung gesetzlich genannter Prüfungspunkt ist,76 der nur dann §313 BGB
ausschließt, wenn die gesetzlich erfasste Risikozuweisung umfassend und
damit abschließend ist. Auch der Automatismus der Mietminderung ist
kein durchgreifendes Argument für eine Spezialität gegenüber §313 BGB,
da die dort vorgesehenen Möglichkeiten der Anpassung und subsidiär der
Aufhebung gezielt für außergewöhnliche, vertraglich nicht bedachte Fälle
ein bewegliches System konstituieren, welches im für den Regelfall kon-
struierten Mietvertragsrecht nicht einbezogen ist. Dass dieses Gegenargu-
ment auch Weller/Thomale nicht gänzlich von der Hand weisen werden,
b)
c)
74 A. Schall, Geschäftsgrundlage (Fn.3), S.388 (389).
75 So aber M. Weller/C. Thomale, Gewerbemietrecht (Fn.3), S.362 (363).
76 S. Martens (Fn.34), §313 Rn.118 sieht die Verankerung bereits auf früherer Ebe-
ne, aber unbestreitbar in §313 BGB inkorporiert.
Jens Prütting
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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