Page - 109 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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Zwischenfazit
Das Leistungsverweigerungsrecht in Abs.1 bietet Schutz fĂĽr Verbraucher.
Mittelbar werden aber in erster Linie Selbständige und Kleinstunterneh-
mer geschützt, die ihre Tätigkeit infolge der Pandemie nicht mehr aus-
üben können. Wenn ihre Einnahmen wegbrechen, können sie logischer-
weise auch ihre privaten Rechnungen nicht mehr bezahlen. Abhängig Be-
schäftigte sind vielfach schon weniger betroffen, jedenfalls wenn sie in grö-
ßeren Unternehmen oder im öffentlichen Dienst arbeiten. Ihr Schutz er-
folgt auch primär durch andere Instrumente, z.B. Kurzarbeitergeld oder
Sozialleistungen.50
Durch das Leistungsverweigerungsrecht entsteht ein Aufschub der Zah-
lungspflichten für bestimmte Verträge. In dieser Zeit werden Verbraucher
davor geschĂĽtzt, dass die Versorgung mit Leistungen der Daseinsvorsorge
unterbrochen wird, dass also beispielsweise der Strom abgestellt wird, weil
die Abschläge nicht mehr bezahlt werden. Außerdem entstehen keine Ver-
zugszinsen. Der Verbraucher muss nach Ablauf des Moratoriums Ende Ju-
ni nur die ursprĂĽnglich geschuldete Leistung erbringen.
Es bleiben aber viele Fragen offen: Welche Verträge sind wesentlich im
Sinne der Vorschrift? Was ist „angemessener Lebensunterhalt“? Hier bietet
sich ein Anknüpfen an die zu §1360a BGB entwickelten Maßstäbe an. Un-
klar ist ferner, wie das Leistungsverweigerungsrecht funktionieren soll,
wenn der Verbraucher noch einige, aber nicht alle Zahlungspflichten er-
füllen kann. Welche Leistungshindernisse beruhen auf Umständen, die
durch die COVID-19-Pandemie ausgelöst wurden? Über die in der Geset-
zesbegründung genannten Fälle hinaus sind auch weitere denkbar.
SchlieĂźlich ist fraglich, wann das Leistungsverweigerungsrecht fĂĽr den
Gläubiger unzumutbar ist.
All diese offenen Rechtsfragen gehen zu Lasten des Verbrauchers, der
sich auf die Einrede berufen will. Eine rechtliche Fehleinschätzung kann
dazu fĂĽhren, dass er die Zahlung unberechtigt aussetzt und dadurch in ge-
nau die Situation gerät, die das Gesetz eigentlich verhindern soll, nämlich
in Verzug. Eine schnelle Klärung der offenen Fragen durch die Rechtspre-
chung ist nicht zu erwarten, da auch die Justiz in der Krise auf Sparflamme
arbeitet.
6.
50 Vgl. zu den unterschiedlichen Auswirkungen der Krise auf das (unterhaltsrecht-
lich relevante) Einkommen Selbständiger und abhängig Beschäftigter Niepmann
(Fn. 17), NZFam 2020, S.383.
Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
- Transportrecht in der Corona-Krise 205
- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245