Page - 111 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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messene Fortsetzung des Betriebs erforderlich, welche sind als Luxus zu
betrachten?
Weiter heißt es in der Gesetzesbegründung, dass das Leistungsverweige-
rungsrecht auch für Forderungen gelten solle, die keine Entgeltforderun-
gen sind.54 Als Beispiele werden Dienstleistungen oder die Vermietung
von Kraftfahrzeugen genannt.55 „Es soll Kleinstunternehmen geholfen
werden, die ihre Leistungsverpflichtung nicht erfüllen können, weil sie
nicht etwa in Kontakt mit dem Leistungsempfänger treten können, weil
ihre Arbeitskräfte nicht zur Arbeit erscheinen können oder dürfen oder
weil ihre Leistungserbringung einstweilen untersagt worden ist.“56 Warum
die Gesetzesbegründung ausgerechnet die Vermietung von Kraftfahrzeu-
gen nennt, erschließt sich nicht. Vielleicht hat der Gesetzgeber an Carsha-
ring gedacht; die entsprechenden Geschäftsmodelle beinhalten normaler-
weise ein monatliches Grundentgelt des Nutzers, also Dauerschuldverhält-
nisse. Die Anbieter sind aber i.d.R. keine Kleinstunternehmen, sondern
deutschland- oder EU-weit tätige Gesellschaften.57 Es ist auch schwer vor-
stellbar, inwiefern der Carsharing-Anbieter infolge der COVID-19-Pande-
mie an der Bereitstellung der Flotte gehindert sein soll, vor allem wenn es
sich wie meist um ein stationsbasiertes Geschäftsmodell handelt. Zudem
gehören Carsharing-Anbieter zu den Gewinnern der Krise, weil in Zeiten
der Pandemie der öffentliche Personennahverkehr gemieden wird.
Man muss auch fragen, ob die eigene Dienstleistung überhaupt unter
den Begriff des wesentlichen Dauerschuldverhältnisses subsumiert werden
kann. Das sind nach der Legaldefinition nur solche, die zur Eindeckung
mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erfor-
derlich sind. Eindeckung mit Leistungen und Erbringung von Leistungen
sind bei unbefangener Betrachtung nicht dasselbe. Möchte man dem Wil-
len des Gesetzgebers zur Geltung verhelfen, muss man sich entweder von
der zu eng geratenen Definition des wesentlichen Dauerschuldverhältnis-
ses lösen58 oder etwas um die Ecke denken: Man könnte darauf abstellen,
dass das Unternehmen Umsatz generieren muss, um den Betrieb fortsetzen
zu können. Da der Umsatz durch die angebotene Dienstleistung generiert
54 Dafür auch Markworth/Bangen, Coronakrise (Fn. 16), S.362; Thole, Insolvenzan-
tragspflicht (Fn. 18), S.660; Fröhling/Issmer, Gesetz (Fn. 29), S.673; Möllnitz/
Schmidt-Kessel (Fn. 13), Art.240 §§1–4 EGBGB Rn.34ff.
55 BT-Drucks. 19/18110, S.34.
56 BT-Drucks. 19/18110, S.33.
57 Für eine Liste von Carsharing-Anbietern siehe https://www.carsharing-news.de/
carsharing-anbieter (zuletzt abgerufen am 6.6.2020).
58 Möllnitz/Schmidt-Kessel (Fn. 13), Art.240 §§1–4 EGBGB Rn.37.
Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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