Page - 117 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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hat der Kleinstunternehmer ein Recht zur (auĂźerordentlichen) KĂĽndigung
(Art.240 §1 Abs.3 S.3 EGBGB).75
Anwendung am Fallbeispiel
Fall 2: G betreibt ein Gesundheitszentrum mit Zirkel-Geräten. Die Räume
und Geräte sind gemietet. G beschäftigt fünf Mitarbeiter. Der Jahresum-
satz liegt bei 1,8Mio. EUR. Die Dienstleistung, die G normalerweise er-
bringt, ist das Bereitstellen des Gesundheitszentrums – Räume, Geräte,
Duschen, Kurse. Das war ab Ende März bis zum 11.5.2020 nach §3 Abs.1
Nr.3 CoronaSchVO NRW v. 22.3.202076 untersagt und damit rechtlich
unmöglich. G wird für diesen Zeitraum nach §275 Abs.1 BGB gegenüber
den Kunden von seiner Leistungspflicht frei. Die Gegenleistungspflicht –
der Mitgliedsbeitrag – entfällt nach §326 Abs.1 BGB. Da G die Pandemie
nicht zu vertreten hat, kommt eine Schadensersatzpflicht gegenĂĽber den
Kunden nicht in Betracht. G muss aber seine laufenden Kosten weiter tra-
gen, also die Miete für die Räume des Gesundheitszentrums, Miete für die
Geräte, Strom, Gas, Wasser und Pflichtversicherungen, Lohn der Mitarbei-
ter.
Prüfen wir zunächst die für eine Leistungsverweigerung nach Art.240
§1 Abs.2 EGBGB in Betracht kommenden Verträge. Wesentliche Dauer-
schuldverhältnisse sind Strom, Gas, Telekommunikation, Wasserversor-
gung und Pflichtversicherungen. Fraglich ist, ob der Mietvertrag ĂĽber die
Fitnessgeräte ein wesentliches Dauerschuldverhältnis ist. Vom Anwen-
dungsbereich ausgeschlossen sind nur Miet- und Pachtverträge über Räu-
me. Die Geräte sind auch für die Fortsetzung des Betriebs erforderlich –
ohne Geräte kein Training. Damit ist der Mietvertrag als wesentliches Dau-
erschuldverhältnis im Sinne der Vorschrift einzuordnen.
Ferner stellt sich die Frage, ob auch die eigene Dienstleistung des G, al-
so die Bereitstellung des Gesundheitszentrums fĂĽr die Kunden, eine Leis-
tung aus einem wesentlichen Dauerschuldverhältnis ist. Selbst wenn man
den Tatbestand des Art.240 §1 Abs.2 EGBGB grundsätzlich auf die eigene
Dienstleistung erstreckt, geht das allgemeine Leistungsstörungsrecht vor.
Die Leistung des G ist nach §275 Abs.1 BGB rechtlich unmöglich, weil sie
5.
75 Scholl, Art.240 EGBGB (Fn. 18), S.768.
76 Mittlerweile ist der Betrieb von Fitnessstudios unter Einhaltung bestimmter Hy-
gieneregeln wieder zulässig, §9 Abs.5 CoronaSchVO NRW v. 8.5.2020.
Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
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- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245