Page - 128 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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ligen Fälligkeitszeitpunkt. Dabei unterscheidet der Gesetzgeber – anders
als im Rahmen von §488 Abs.1 S.2 BGB – zwischen dem Rückzahlungs-
anspruch beim endfälligen Darlehen und Tilgungsleistungen beim Raten-
kredit; Zinsleistungen sind bei beiden Darlehensformen zu erbringen.121
Sonstige Ansprüche des Darlehensgebers sind von der Stundungswirkung
nicht betroffen. Das gilt insbesondere für die Vorfälligkeitsentschädigung
(§§490 Abs.2 S.3, 502 BGB), die als Schadensersatz zu qualifizierende122
Nichtabnahmeentschädigung und Ansprüche aus einem Rückgewähr-
schuldverhältnis etwa nach einem Widerruf.123
Anders als im Rahmen von Art.240 §1 EGBGB werden bei einem Ra-
tenkredit die aufgelaufenen Zins- und Tilgungsleistungen also nicht nach
Ablauf des Moratoriums auf einmal fällig. Die Ansprüche bleiben aber er-
füllbar (Art.240 §3 Abs.1 S.3 EGBGB), so dass die erbrachte Leistung
nicht kondiziert werden,124 der Darlehensnehmer sich also nicht nach der
Zahlung umentscheiden kann. Das gilt auch für den Fall, dass der Darle-
hensnehmer in Unkenntnis der neuen Rechtslage weiter gezahlt hat.125
Hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber ein SEPA-Lastschriftman-
dat zur Einziehung der Raten erteilt und zieht die Bank die Rate weiter
ein, führt auch dies zur Erfüllung (näher unten 4).126 Der Darlehensneh-
mer ist an seine Entscheidung, zunächst seine Verpflichtungen weiter zu
erfüllen, hinsichtlich zukünftiger Raten nicht gebunden; nur „soweit“ er
vertragsgemäß weiter leistet, gilt die Stundung gem. Art.240 §3 Abs.1 S.4
EGBGB im Rahmen einer Rechtsfiktion als nicht erfolgt. Über den Wort-
laut der Norm hinaus entfällt die Stundungswirkung nicht nur bei ver-
tragsgemäßer, sondern auch bei verspäteter Leistung.127
Warum der Gesetzgeber beim Darlehensvertrag das Modell einer gesetz-
lichen Stundung gewählt hat und nicht ein Leistungsverweigerungsrecht
wie in Art.240 §1 EGBGB, erschließt sich nicht ohne weiteres. Das Modell
der gesetzlichen Stundung weist mehrere Nachteile auf: Nach dem Gesetz
genügt es, wenn der Verbraucher einfach die Zahlungen einstellt, ohne
121 Ausf. Köndgen (Fn. 24), Art.240 §3 EGBGB Rn.45ff.
122 BGH NJW-RR 1990, S.432; NJW 1991, S.1817 (1818); K.P. Berger, in: MüKo-
BGB, Bd. 4, 8.Aufl., München 2019, §488 Rn.69.
123 Lühmann, Moratorium (Fn. 85), S.1322; a.A. Knops (Fn. 92), §2 Rn.13.
124 Köndgen (Fn. 24), Art.240 §3 EGBGB Rn.44. Dies gilt i.Ü. auch für die oben
skizzierten Leistungsverweigerungsrechte nach Art.240 §1 EGBGB. §813 Abs.1
BGB erfasst nur dauerhafte Einreden und damit nicht die Corona-Einrede.
125 Köndgen (Fn. 24), Art.240 §3 EGBGB Rn.44.
126 Schmidt-Kessel/Möllnitz, Coronavertragsrecht (Fn. 29), S.1107; Möllnitz/Schmidt-
Kessel (Fn. 13), Art.240 §§1–4 EGBGB Rn.160.
127 Lühmann, Moratorium (Fn. 85), S.1323.
Ann-Marie Kaulbach und Bernd Scholl
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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