Page - 129 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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sich auf Art.240 §3 EGBGB zu berufen. Die Gesetzesbegründung geht
zwar davon aus, dass Verbraucher der Bank in der Regel eine entsprechen-
de Mitteilung machen werden,128 doch eine Pflicht dazu besteht nicht.129
So ist für die Bank noch weniger überprüfbar als für den Gläubiger im
Rahmen des Leistungsverweigerungsrechts nach Art.240 §1 EGBGB, ob
die Voraussetzungen der Stundung überhaupt gegeben sind. Ein weiteres
Problem besteht darin, dass nach der gesetzlichen Lösung unklar ist, wel-
ches Darlehen von der Stundung erfasst sein soll, wenn das pandemiebe-
dingt reduzierte Einkommen des Darlehensnehmers nur zur Bedienung ei-
nes von mehreren Darlehen ausreicht (s.o. D.II). Dieses Problem bestünde
nicht, wenn der Darlehensnehmer eine Einrede erheben müsste. Vorzugs-
würdig wäre daher die Konstruktion als Leistungsverweigerungsrecht.130
Fraglich ist die Rechtslage, wenn der Darlehensnehmer die Darlehensra-
te pandemiebedingt nur teilweise erbringt. So ist denkbar, dass er statt der
geschuldeten Rate von 2000 EUR nur 1000 EUR zahlt. Nach Art.240 §3
Abs.1 EGBGB wird dann nur der nicht gezahlte Teil der Rate gestundet.
Schwierig sind die Folgen für weitere Raten und die Verlängerung der
Vertragslaufzeit (s.u. 3).
Pflicht zur Verzinsung während der Stundungsphase?
Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich nicht, ob die Darlehensvaluta wäh-
rend der Stundungsphase mit dem vereinbarten Zinssatz zu verzinsen ist
oder nicht. Diese Frage ist derzeit zwischen den Verbraucherzentralen und
dem Bundesverband deutscher Banken hoch umstritten.131 Der Banken-
verband hat vorgerechnet, dass eine zinslose Stundung, von der nur 10%
der Berechtigten Gebrauch machten, zu einem Ausfall von 1,2 Mrd. Euro
für die deutsche Kreditwirtschaft führte.132 Von Seiten der Verbraucher-
zentralen werden diese Zahlen angezweifelt, weil die Zinsen nicht ausfie-
len, sondern lediglich später gezahlt würden und vielen Banken im gegen-
wärtigen Zinsumfeld kein Schaden entstehe.
2.
128 BT-Drucks. 19/18110, S.38.
129 Knops (Fn. 92), §2 Rn.19; anders Köndgen (Fn. 24), Art.240 §3 EGBGB Rn.43
und ders., Verbraucherkreditrecht (Fn. 88), S.212f., der eine Anzeigeobliegen-
heit annimmt.
130 Ähnl. Die Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme (Fn. 94), S.3.
131 „Streit über Zinsen für Kreditstundungen“, Handelsblatt v. 28.4.2020, S.34f.
132 „Streit um die Zinsen während der Krise“, FAZ v. 20.4.2020, S.15.
Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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