Page - 131 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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(nach einer Verlängerung des Gesetzes möglicherweise um sechs Monate),
ohne dass die Valuta weiter verzinst würde, würde die Kalkulation der
Bank völlig durcheinandergeworfen. Die Bank hat ein durch ihre berufli-
che Vertragsfreiheit (Art.12 GG) und ihr Eigentum (Art.14 GG) bzw.
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschütztes In-
teresse daran, dass nicht nachträglich in entstandene Ansprüche eingegrif-
fen und das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu ihren Las-
ten verändert wird.138 Angesichts der Schwere dieses Eingriffs in die Rech-
te der Bank wäre es erforderlich gewesen, das Entfallen der Verzinsung
während der Stundungsphase ausdrücklich zu normieren.139 Dass Ansprü-
che nach Art.240 §1 EGBGB während des Moratoriums nicht zu verzin-
sen sind, spricht nicht dagegen, denn die dort genannten Forderungen se-
hen anders als Darlehen keine vertragliche Verzinsung vor. Bei verzinsli-
chen Forderungen (insbes. aus Darlehen) ist hingegen im Zweifel davon
auszugehen, dass die Stundung die Zinspflicht nicht entfallen lässt.140 Der
Zins ist hier gerade die Gegenleistung für das eingeräumte Kapitalnut-
zungsrecht und daher von der Laufzeit des Darlehens abhängig. Insofern
erscheint es interessengerecht, einerseits dem Darlehensnehmer in seiner
kurzfristigen Notlage zu helfen, der Bank aber, die dafür keine Verantwor-
tung trifft, andererseits für die Verlängerung der Kapitalnutzungsdauer
auch eine angemessene, nämlich die vertraglich vereinbarte Gegenleistung
zuzusprechen.141
Letztlich sprechen sowohl Argumente für als auch gegen eine Verzin-
sung während der Stundungsphase. Nur der Gesetzgeber oder, wenn die-
ser untätig bleibt, die Rechtsprechung kann hier Klarheit schaffen. Will
man angesichts der Unklarheit der Rechtslage den Eingriff in den Vertrag
möglichst gering halten, sollte eine Verzinsung der Valuta während der
Stundung bejaht werden.142
138 Für Verfassungswidrigkeit einer zinslosen Verlängerung des Darlehens Herres-
thal, Verbraucherdarlehensrecht (Fn. 92), S.996ff.
139 Scholl, Art.240 EGBGB (Fn. 18), S.771; ähnl. Die Deutsche Kreditwirtschaft,
Stellungnahme (Fn. 94), S.2; Meier/Kirschhöfer, Darlehensverträge (Fn. 86),
S.969; Herresthal, Verbraucherdarlehensrecht (Fn. 92), S.993ff.
140 Für eine vertragliche Stundung erklärt sich dies laut K. Schmidt (Fn. 133), §353
Rn.13 von selbst.
141 Scholl, Art.240 EGBGB (Fn. 18), S.771.
142 So auch die Einschätzung des kommissarischen Vorsitzenden des Rechtsaus-
schusses des Bundestages H. Hirte im Gespräch mit der FAZ, s. „Streit um die
Zinsen während der Krise“, FAZ v. 20.4.2020, S.15; Scholl, Art.240 EGBGB (Fn.
18), S.771; Herresthal, Verbraucherdarlehensrecht (Fn. 92), S.991ff.; Lühmann,
Moratorium (Fn. 85), S.1324; Meier/Kirschhöfer, Darlehensverträge (Fn. 86),
Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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