Page - 157 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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heißen müsste „Der Vermieter kann […] nicht alleine aus dem Grund
kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni
2020 fällig werdende Miete nicht leistet, […].“ Der Gesetzesbegründung
nach soll die Regelung nur Zahlungsrückstände erfassen die „vom 1. April
bis 30. Juni 2020 entstehen“37. Dies würde auch dem bereits zuvor erläu-
terten Sinn und Zweck des Art.240 §2 Abs.1 EGBGB entsprechen: Es
geht in der Bestimmung darum grds. gesunden Unternehmen bzw. zah-
lungskräftigen Mietern nicht ihre Existenzgrundlage bzw. ihren Lebens-
mittelpunkt wegen eines krisenbedingten Liquiditätsengpasses zu neh-
men. Kam es jedoch schon vor der Krise zum Zahlungsverzug, scheint die
Annahme eines grds. gesunden Unternehmens bzw. zahlungskräftigen
Mieters – und damit die besondere Schutzwürdigkeit – zweifelhaft. Ande-
rerseits könnte die Gesetzesbegründung gegen eine so strenge Interpretati-
on des Art.240 §2 Abs.1 EGBGB sprechen. Dort heißt es nämlich, dass
sich aus den krisenbedingten Zahlungsrückständen weder ein wichtiger
Grund i.S.d. §543 BGB noch ein berechtigtes Interesse i.S.d. §573 BGB
entnehmen lasse.38 Darin klingt an, dass Zahlungsrückstände im Krisen-
zeitraum, sofern sie durch die Pandemie verursacht wurden, bei der Beur-
teilung ob ein wichtiger Grund bzw. ein berechtigtes Interesse vorliegt, ge-
nerell nicht zu berücksichtigen sind. Insofern könnte der Gesetzgeber
durch die Verwendung des Wortes „alleine“ lediglich beabsichtigt haben,
klarzustellen, dass Zahlungsverzugskündigungen nicht ausgeschlossen
sind, wenn Zahlungsrückstände außerhalb des Krisenzeitraums bereits für
sich genommen die erforderliche Höhe von §543 bzw. §573 BGB erfüllen.
Zu diesem Ergebnis wäre man allerdings wohl zwanglos auch ohne das
Wort „alleine“ im Gesetzestext gekommen. Wäre dies also die Absicht des
Gesetzgebers gewesen, hätte er gut daran getan, es ausdrücklich in der Ge-
setzesbegründung darzulegen oder besser ganz auf die vermeintliche „Klar-
stellung“ zu verzichten. Die besseren Argumente dürften damit letztlich
für ein enges Verständnis der Voraussetzungen von Art.240 §2 Abs.1
EGBGB sprechen.39 Jedenfalls besteht insofern erhebliche Rechtsunsicher-
heit.
37 BT-Drucks. 19/18110, S.36.
38 BT-Drucks. 19/18110, S.36.
39 So i.E. auch E. Lindner; Beschränkungen der Kündigung (Fn.22); U. Börstinghaus,
Besonderheiten des Miet- und Wohnungseigentumsrechts (Fn.13), S.413; M.
Artz, COVID 19 (Fn.32), §3 Rn.41. Niemand zahlt mehr Miete!?
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
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